Um 35 Cent unter Kickl

-

ANALYSE. Doskozils Burgenland will Asylwerbern für einen „Stundenlohn“ von 1,60 Euro arbeiten lassen. Ein tiefes Signal.

Was die FPÖ kann, kann das rot-grün regierte Burgenland von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) auch? Als Innenminister hat Herbert Kickl (FPÖ) im Frühjahr 2019 verkündet, dass Asylwerbern für gemeinnützige Tätigkeiten 1,50 Euro pro Stunde bezahlt werden solle. Unter anderem Sozialdemokraten protestieren. Einige warnten vor „Lohndumping“, Doskozil sprach von einem „Randthema“: Wichtiger wäre es, Asylverfahren zu beschleunigen, meinte er.

Letzten Endes geriet die Geschichte in Vergessenheit: Es hatte sich um einen von mehreren Versuchen von Kickl gehandelt, Wählern zu zeigen, dass er eh darauf schaut, Flüchtlinge möglichst letztklassig zu behandeln und hinauszuekeln. „Erstaufnahmezentren“ ließ er daher in „Ausreisezentren“ umbenennen und gemeinnützige Tätigkeiten entwürdigend bezahlen. Beides nahm sein unmittelbarer Nachfolger, Ex-OGH-Präsident Eckart Ratz jedoch bald zurück.

Heute ist das mit dem „Stundenlohn“ wieder „salonfähig“, um es mit einem Wort zu umschreiben, das die FPÖ von Herbert Kickl selbst für das verwendet, was im Burgenland gerade präsentiert worden ist: Asylwerber sollen verpflichtet werden, um 1,60 Euro zu arbeiten.

„Wir reden im Burgenland nicht von Migration, wir gestalten sie“, erklärte SPÖ-Burgenland-Klubobmann Roland Fürst laut „Krone“. Wobei es sich um einen vielsagenden Versprecher oder Verschreiber handelte: Wenn, dann wird hier Integration „gestaltet“. Auf Migration kann das Ganze keinen unmittelbaren Einfluss haben. Allenfalls einen indirekten, der auf ein entlarvendes Motiv schließen lassen würde: Flüchtlinge sollen sehen, dass sie in Österreich nicht gut behandelt werden, um es vorsichtig zu formulieren.

Roland Fürst hat die Maßnahme gemeinsam mit Landesrätin Daniela Winkler (SPÖ) verkündet. Sie sprach von „alltagstauglichen Aufgaben“, die die Asylwerber erledigen sollen. Von Landschaftspflege über Winterdienst bis Betreuung von Sportanlagen. Auch in Pflegeheimen sollen sie eingesetzt werden.

Verweigert einer eine Tätigkeit, solle er aus der Grundversorgung fallen und nur noch die notwendigste Versorgung bekommen, heißt es großspurig. Der Haken: Der Spielraum für Sanktionen ist gleich null.

Laut EU-Aufnahmerichtlinie sind Asylwerbern materielle Leistungen zu gewähren, die „den Lebensunterhalt sowie den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit“ gewährleisten. In der Richtlinie ist auch von einem „würdigen Lebensstandard“ die Rede.

Sanktionen sind zwar möglich. Ausschließlich aber in bestimmten Fällen: A) Wenn ein Antragsteller einen behördlich zugewiesenen Aufenthaltsort verlässt, B) wenn er etwa Melde- und Auskunftspflichten nicht nachkommt oder C) einen Folgeantrag einbringt.

Außerdem können Sanktionen „für grobe Verstöße gegen die Vorschriften der Unterbringungszentren und grob gewalttätiges Verhalten“ festgelegt werden. Nicht aber für die Weigerung, eine gemeinnützige Tätigkeit anzunehmen.

Die 1,60 Euro, die nun im rot-grünen Burgenland bezahlt werden sollen, liegen real übrigens weit unter den 1,50, die Kickl vor sechs Jahren wollte. Laut Wertsicherungsrechner der Statistik Austria würde das heute 1,95 Euro entsprechen. Anders formuliert: Das Burgenland liegt real um 35 Cent unter Kickl.

dieSubstanz.at ist ausschließlich mit Ihrer Unterstützung möglich. Unterstützen Sie dieSubstanz.at gerade jetzt >

dieSubstanz.at – als Newsletter, regelmäßig, gratis

* erforderliche Angabe


Könnte Sie auch interessieren

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner