ANALYSE. Österreich erlebt gerade einen Direkte-Demokratie-Frühling: Regierende können gar nicht schauen, wie schnell sie ohne Zutun der parlamentarischen Opposition zu Getriebenen werden.
Für das Frauen-Volksbegehren sind nach wenigen Tagen genügend Unterstützungserklärungen zusammengekommen, damit es nun auch eingeleitet werden muss. Und fürs „Don’t Smoke“-Begehren gibt es quasi schon in dieser Qualifikationsrunde so viele Unterschriften, dass es letzten Endes vom Nationalrat behandelt werden muss: Österreich erlebt gerade einen Direkte-Demokratie-Frühling.
Wobei fast schon originell ist, dass sich die am schwersten damit tun, die sich bisher am stärksten für die direkte Demokratie eingesetzt haben: die Freiheitlichen. Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch ließ auf Ö3 wissen, dass das Nichtraucherbegehren „unseriös“ sei – es richte sich gegen einen Gesetzestext, der noch nicht vorliege, argumentiert sie. Als würde die schwarz-blaue Ankündigung nicht reichen, dass man umgehend dafür sorgen werde, dass in Lokalen doch kein generelles Rauchverbot kommt.
Fast allen ist ein generelles Rauchverbot ganz einfach lieber als Verantwortungsträger, die weder in die eine noch in die andere Richtung konsequent sind.
Wie auch immer: Man kann so oder so davon ausgehen, dass es vielen Österreichern hier nicht nur um die Sache an sich geht. Sondern auch um die Vorgangsweise: Jahrelang liefert die Politik eine unentschlossene (Nicht-)Raucherpolitik, zwingt Lokalbetreiber zu kostspieligen Investitionen und – in vielen Fällen auch – zur Zerstörung ihrer Räumlichkeiten durch Trennwände. Und nun ist das Ergebnis davon offensichtlich, dass wirklich schon fast allen ein generelles Rauchverbot ganz einfach lieber ist als Verantwortungsträger, die weder in die eine noch in die andere Richtung konsequent sind. Gut möglich also, dass das Volks-Aufbegehren in erster Linie gegen diese gerichtet ist. Was weiß man.
Das ist im Grunde genommen aber ohnehin nur eine Nebensache: Längerfristig viel wichtiger ist, was da überhaupt gerade passiert in Österreich: Regierungsparteien planen etwas und nach wenigen Wochen stehen Volksbegehren, die ernstzunehmen sind; die sehr schnell sehr vielen Menschen die Möglichkeit geben, Unmut über eine konkrete oder eine sehr allgemeine Frage zum Ausdruck zu bringen. Beziehungsweise eine Art „Ja-Nein-Demokratie“ zu leben, wenn man so will.
ÖVP und FPÖ können möglicherweise gar nicht mehr so schnell eine ORF-Reform zu ihren Gunsten durchführen, als ein Volksbegehren für einen entparteipolitisierten Rundfunk steht.
Nichts spricht dagegen, dass sich das weiterentwickelt: ÖVP und FPÖ können möglicherweise gar nicht mehr so schnell eine ORF-Reform zu ihren Gunsten durchführen, als ein Volksbegehren für einen entparteipolitisierten Rundfunk steht. Warum nicht? Die gar nicht satirischen Angriffe von Strache auf den ORF sind von einer solchen Heftigkeit, dass man sich Sorgen um die Pressefreiheit machen muss. Und Verkehrsminister Norbert Hofer zeigt nebenbei bei der Bahn, wie ausschließlich parteipolitisch motivierte Postenumbesetzungen funktionieren. Damit verstärkt er Befürchtungen, dass sich in diesem Land gar nichts ändert, außer Parteizugehörigkeiten. Ja, dass diese sogar noch entscheidender werden: Wer in freiheitlichen Verantwortungsbereichen nicht freiheitlich ist, ist nicht.
Interessant ist, dass man bisher annehmen konnte, dass neben Sebastian Kurz auch Strache so geschickt in Stimmungsmache wie Mobilisierung ist, dass mehr direkte Demokratie nur in seinem Sinne sein kann. Wie man sieht, muss das jedoch nicht der Fall sein. Im Gegenteil, sie könnte ihm auch zum Verhängnis werden.
Von diesen Volksbegehren geht der stärkste Gegenwind für diese Regierung aus; nicht von der Opposition.
Ebenso interessant ist freilich, dass von diesen Volksbegehren der stärkste Gegenwind für diese Regierung ausgeht; nicht von der Opposition. Zumindest die Nichtraucher-Initiative ist zwar von einer extrem starken Lobbygruppe getragen (der Ärztekammer), aber eben nicht von einer Partei. Was nebenbei auch zeigt, dass die Politik dabei ist, ziemlich außerparlamentarisch zu werden. Im Guten wie im Schlechten.
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