ANALYSE. Auch Umfang und unterschiedliche Aufklärungsziele machten den Nationalratsabgeordneten zu schaffen.
Eineinhalb Jahre hat sich der Untersuchungsausschuss Zeit genommen, der politischen Verantwortung in der Causa Hypo Alpe Adria nachzugehen. Die wichtigste Erkenntnis anlässlich der letzten Zeugenbefragungen: Politische Verantwortung existiert nicht. Dass die Abgeordneten der Öffentlichkeit keine Ergebnisse in dem Sinne liefern können, dass nun klar ist, wer den größten Finanzskandal der zweiten Republik (mit) zugelassen hat, hat viele Gründe. Drei sind entscheidend:
1. Der Aufklärungsgegenstand. Der Bogen, den die Abgeordneten gespannt haben, reicht über Jahre und unzählige Kapitel der Causa Hypo Alpe Adria. Insgesamt 16 Millionen Akten-Seiten lagen ihnen schlussendlich vor. Womit sie sich selbst erschlagen haben, wie ein kleine Rechnung zeigt: 30 Experten sind nötig, um in einem Jahr alles zu studieren; und zwar unter der Voraussetzung, dass keiner mehr als 30 Sekunden pro Seite braucht und sie an 365 Tagen jeweils 12 Stunden lesen.
Die Abgeordneten verfolgten je nach Auskunftsperson unterschiedliche Ziele.
2. Die Interessenskonflikte. Das eine oder andere Kapitel hätten die Abgeordneten weglassen können. Die Geschehnisse vor Ort sind beispielsweise vom Kärntner Landtag bereits untersucht worden. Dass es nicht dazu gekommen ist, ist jedoch darauf zurückzuführen, dass es sich dabei vor allem um ein freiheitliches Kapitel handelte; und dass die weiteren, die auf Bundesebene spielten, rot-schwarze waren, es summa summarum also im Interesse von SPÖ, ÖVP und FPÖ lag, die Sache möglichst breit anzulegen, um nicht alleine dazustehen. Das hat auch die Ausschussbefragungen gekennzeichnet: Die Abgeordneten verfolgten je nach Auskunftsperson unterschiedliche Ziele; einmal ging es darum, eine Person zu schützen, einmal darum, angriffig zu sein. Je nach Betroffenheit der eigenen Partei. Sichtlich gelitten hat darunter auch Verfahrensrichter Walter Pilgermaier: Nicht nur einmal hatte er im Zuge seiner Eingangsbefragungen ganz offensichtlich wunde Punkte getroffen. Abgeordnete, die die Befragung fortsetzten, hakten dann jedoch nicht ein.
Für die wenigsten Fragen gibt es in Österreich eindeutige Verantwortlichkeiten.
3. Die Unverantwortungskultur. Für die wenigsten Fragen gibt es in Österreich eindeutige Verantwortlichkeiten. Im Gesundheitswesen ist zum Beispiel ein bisschen der Fachminister involviert, viel mehr noch aber sind es die Länder und die Sozialversicherungsträger sowie zum Teil die Gemeinden. Wenn etwas schiefgeht, ist es also schwer bis unmöglich, jemanden zur Verantwortung zu ziehen. Ähnliches zeigte sich auch bei der Causa Hypo Alpe Adria: Die Bank ist mehrfach geprüft worden. Allerdings gibt es dazu zwei Institutionen – die Nationalbank und die Finanzmarktaufsicht – mit unterschiedlichen Zuständigkeiten und Befugnissen. So konnte es, wie die Ausschussbefragungen gezeigt haben, zwar vorkommen, dass Mängel aufgedeckt wurden, sich aber niemand um deren Bereinigung kümmerte. Auch auf politischer Ebene setzte sich die Unverantwortungskultur fort. Im Zweifelsfall verweist man dort, wie im Falle des damaligen Finanzministers Josef Pröll (ÖVP) im Zusammenhang mit der Notverstaatlichung, auf Experteneinschätzungen – und sagt damit, dass man selbst nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe.