ANALYSE. Während der Kanzler ein mögliches Korruptionsproblem seiner Partei nicht mehr ganz ausschließt, droht diese Ermittlungen auf parlamentarischer Ebene zu gefährden. Das passt nicht zusammen.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat sich vor dem Nationalrat zu den Korruptionsvorwürfen gegen seine Volkspartei so deutlich wie noch nie geäußert: „Wenn es diese Vorgänge gegeben hat, dann verurteilte ich sie auf das Schärfste. Es ist nicht zu verteidigen, es ist zu verurteilen, wenn mit Steuergeld parteipolitische Umfragen gekauft werden oder gar manipuliert werden. Es ist unmöglich, wenn der Eindruck entsteht, dass Multimillionäre es sich richten können.“ Nachsatz: „So bin ich nicht, so sind wir nicht.“
„So deutlich wie noch nie geäußert“, heißt einiges, aber auch relatives: Dieses „Wenn“ lässt alles offen. Entscheidend ist, wie die Gerichte urteilen, so Nehammer: Niemand sonst, nicht das Parlament, nicht die Medien, nicht „wir“.
Abgesehen davon, dass das politische Dimensionen des Ganzen ausklammert und dieses Ganze auf Strafrechtliches reduziert, lässt Nehammer gezielt gegen das arbeiten, was er hier sagt: Durch die Aussagen von Thomas Schmid haben die Vorwürfe eine neue Qualität erlangt. Türkise bis hinauf zu Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka urteilen Schmid jedoch öffentlich als Lügenbaron ab, betonen, dass sich Anschuldigungen in Luft aufgelöst hätten.
Die ÖVP ist es auch, die sich im Korruptions-U-Ausschuss plötzlich als Hüterin der parlamentarischen Demokratie ausgibt. Das ist wenig glaubwürdig: Vor eineinhalb Jahren forderte Sobotka, die Wahrheitspflicht für Auskunftspersonen abzuschaffen. Jetzt freut sie sich, dass ausgerechnet Thomas Schmid unter Wahrheitspflicht aussagen muss.
Wobei sie sich nicht an das Ersuchen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) halten möchte, nur bestimmte Themen zu behandeln, damit noch geheime Ermittlungsergebnisse geheim bleiben; damit Ermittlungen und letztlich auch Entscheidungen über Anklageerhebungen bzw. allenfalls auch Urteile nicht gefährdet werden.
Das ist eine sehr sensible Sache. Dass jedoch ÖVP-Mann Andreas Hanger betont, dass er sich nur nicht in seiner Freiheit als Abgeordneter beschränken lassen möchte, mag man kaum glauben. Die Freiheit der Abgeordneten endet in der Regel bei Fraktions- bzw. Parteiinteressen. Und gerade Hanger hat sich bisher als derjenige Mann nützlich zu machen versucht für die ÖVP, der abblockt, was ihr schaden könnte. Und der angreift, wer ihr schaden könnte. Zur Erinnerung: Hanger ortete schon einmal „linke Zellen“ in der WKStA und unterstellte dieser, politisch motiviert zu agieren.
All das relativiert die eingangs erwähnten Aussagen von Nehammer: Geht die Strategie seiner Partei auf, um die sich Leute wie Hanger kümmern, könnte zumindest länger offen bleiben, wie viel an einzelnen Korruptionsvorwürfen daran ist, weil die Ermittlungen erschwert werden. Damit hätte sie schon wertvolle Zeit gewonnen. Möglicherweise so viel, dass Nehammer nie erklären muss, dass die ÖVP ein Korruptionsproblem habe.