ANALYSE. Die Inszenierung von Sebastian Kurz beginnt zusammenzubrechen. Ein Wahlerfolg Ende September wird sich aber wohl noch ausgehen.
„Die neue Volkspartei“, wie sich die ÖVP nennt, seit Sebastian Kurz vor etwas mehr als zwei Jahren die Führung übernommen hat, sollte vieles vergessen machen und daher ganz anders sein: Keine Partei, sondern eine Bewegung; transparent; nicht schmutzig, sondern sauber; ehrlich; nicht schwarz, sondern türkis etc. Viel mehr als die Farbe ist davon jedoch nicht geblieben. Zum Ausdruck bringt das kaum etwas besser als ihre Spenden-Affäre.
Ja, Spenden-Affäre: Heinz-Christian Strache hat im Ibiza-Video erklärt, wie man große Zuwendungen illegal und an der Öffentlichkeit vorbei zu einer Partei bringt; über Vereine nämlich. Jetzt schaut sich die Korruptionsstaatsanwaltschaft derartige Vereine nicht nur im Umfeld von Straches FPÖ, sondern auch jenem von ÖVP und SPÖ an; sie wird ihre Gründe haben. Viel wichtiger aber noch ist dies: Nachdem (!) Journalisten Anhaltspunkten dafür nachgegangen waren, sah sich die ÖVP soeben gezwungen, zuzugeben, dass in ihrem Fall auch 2018 und 2019 üppige Spenden so gestückelt wurden, dass sie nicht gleich veröffentlicht werden müssen. Das war legal, aber schlitzohrig.
Und es lässt sehr tief blicken: Die ÖVP lebte auch unter Sebastian Kurz zum allergrößten Teil von Großspendern. Von den 1,2 Millionen Euro, die sie heuer eigenen Angaben zufolge erhielt, kamen 98 Prozent von Leuten, die als solche bezeichnet werden können. Also Heidi Horten etwa. Kleinspenden machten insgesamt keine 30.000 Euro aus. Das ist etwas mager für eine Partei, die eine (Massen-)Bewegung sein möchte; es zeigt, dass sie in Wirklichkeit ganz und gar keine solche ist.
Vor allem aber wirft die Geschichte die Kurz-Darstellung über den Haufen, kein Freund des Verbergens zu sein. Es ist nicht das erste Mal, dass das konterkariert wird. Im Gegenteil: Sebastian Kurz hat versprochen, das Amtsgeheimnis abzuschaffen und Informationsfreiheit einzuführen. Das jedoch hat es nicht einmal ins Regierungsprogramm 2017-2019 geschafft. Dann war die Schredderei unter den bekannten Umständen; ein Mitarbeiter ließ unter Angabe eines falschen Namens privat Datenträger des Kanzleramts vernichten. Und jetzt eben die aufgeflogene Methode, Großspenden nicht unverzüglich zu melden. Auch das widerspricht wie erwähnt dem Bild, das die neue Volkspartei so gerne von sich abgeben würde.
Freilich: Um einen Wahlerfolg Ende September muss sich Kurz noch nicht sorgen. Wichtigere Teile seiner Inszenierung funktionieren nach wie vor. „Keine neuen Steuern!“, sondern Entlastung etwa. Ja, Entlastung, obwohl die Pensionsausgaben kräftig erhöht werden sollen (durch die Anhebung der Mindestpensionen sowie großzügige Pensionsanpassungen, aber keine weiteren Pensionssicherungsmaßnahmen). Auch das ist ein Widerspruch. Doch das muss erst sickern.
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