Türkis-Grün: Zwangsehe

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ANALYSE. Sollte eine Koalition zustande kommen: Die Vorzeichen sind nicht gut, zumal es an einem gemeinsamen Wollen fehlt.

Im Sommer noch hat Grünen-Sprecher Werner Kogler eine Koalition mit der ÖVP de facto ausgeschlossen: Momentan sei das völlig unvorstellbar, sagte er. Heute schaut die Sache anders aus: Kogler hat sich quasi ordentlich hingesetzt und angefangen, mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz wirklich ernsthaft über ein Regierungsprogramm zu verhandeln.

Wird’s was? Angenommen ja: Klar ist zunächst, dass das keine Liebes-, sondern eher eine Zwangsehe wird: Der große Wahlsieger Sebastian Kurz hat nur eine Option, wenn er eine Mehrheit auf parlamentarischer Ebene anstrebt. Das ist das eine. Das andere: Die einzige Option bilden eben ausgerechnet die Grünen, bei denen er gar nicht verhehlt, dass ihr Kurs (mitte-links) eigentlich in eine ganz andere Richtung geht als seiner (ordentlich mitte-rechts).

Doch was soll er machen? Allein schon gegenüber dem Bundespräsidenten muss er diese Option nun so ausloten, dass das glaubwürdig rüberkommt. Das tut er. Die Überraschung ist eher, dass die Grünen bisher keinen Grund geliefert haben, zu sagen: „Liebe Österreicher, wie ihr seht, geht’s nicht mit diesen Chaoten.“ Sprich: Kein grüner Verhandler hat öffentlich einen Wutanfall bekommen und Kurz attackiert. Keine linke Basis hat angefangen, gegen Türkis-Grün zu mobilisieren. Ja, Kogler ließ sich zuletzt nicht einmal durch die Provokationen aus den Reihen der Türkisen aus der Fassung bringen, wonach die Grünen in Fußballstadien das Licht abdrehen wollen, abendliche Spiele also verbieten möchten.

Wie auch immer: Für die Grünen würde die Regierungsbeteiligung eine Chance bieten, wie sie sich nicht alle Jahre auftut. Zuletzt ist das 2002/2003 der Fall gewesen. Und zumal sie in zahlreichen Bundesländern gelernt haben, zu führen und in weiterer Folge nicht zwangsläufig Wahlen zu verlieren, sondern durchaus auch zuzulegen, ist es naheliegend, dass sie die Chance nicht leichtfertig ungenützt lassen.

Wenn sich Sebastian Kurz wiederum auf eine Koalition mit den Grünen einlässt, dann tut er das nicht freiwillig: Nahliegender wäre eine Fortsetzung von Türkis-Blau gewesen oder allenfalls ein Wechsel zu Türkis-Pink. Das eine ist jedoch unrealistisch, das andere geht sich nicht aus. Und wenn die Grünen keinen Anlass bieten, die Verhandlungen scheitern zu lassen und eine Minderheitsregierung zu bilden, dann muss es eben Türkis-Grün sein.

International mag das ja eine attraktive Konstellation sein für Sebastian Kurz. Mit 33 ist er aber noch nicht in einem Alter, In dem er die nationale Dimension zurückstellen kann. Im Gegenteil: Seine Wähler und zum Teil auch seine Funktionäre zwingen ihn, um jeden Preis weiterhin so zu tun, als könne er seine „ordentliche Mitte-Rechts-Politik“ fortsetzen. In diesem Sinne hat er bisher auch noch kein einziges Signal von sich gegeben, davon auch nur um ein Grad abzuweichen.

Für die Grünen ist das nicht lustig, sondern lebensgefährlich: Gut, sie versuchen, ein möglichst detailliertes und damit auch verbindliches Koalitionsprogramm zusammenzubekommen. Das ist jedoch relativ wertlos: Die Rahmenbedingungen für jedes einzelne Vorhaben können sich extrem schnell ändern. Ganz zu schweigen von unvorhersehbaren Ereignissen wie eine Flüchtlingskrise oder eine Hochwasserkatastrophe, die überhaupt alles über den Haufen werfen. Sprich: Wenn nicht der beiderseitige Wille zur Zusammenarbeit vorhanden ist, kann man das geschriebene Wort mehr der weniger vergessen.

Sebastian Kurz ist ohnehin viel lieber in anderen Sphären unterwegs: Message Control. Gerade erst hat er das mit der Botschaft gemacht, dass Türkis-Grün von ihm aus im Jänner stehen könnte. Wobei das zweierlei bedeuten kann: Kurz meint das ernst. Oder er tut nur so, um nach einem allfälligen Scheitern der Verhandlungen leichter behaupten zu können, dass es nicht an ihm gelegen sei. Weil er persönlich habe ja wollen.

In Österreich hat’s schon öfter Zwangskoalitionen gegeben. Rot-Schwarz unter Alfred Gusenbauer (SPÖ) ab Jänner 2007 beispielsweise. Damals hatte Wahlverlierer Wolfgang Schüssel (ÖVP) diese Koalition nicht verhindern können und sich dann halt als ihr größer Sprengmeister betätigt. Mit Erfolg.

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