ANALYSE. Innsbruck bestätigt, dass Kurz-Kopien der ÖVP nur noch mehr Unglück bringen. Für Nehammer und Co. kommt diese Erkenntnis jedoch zu spät.
Florian Tursky sei ein „guter Freund“ und „super Typ“: Mit diesen Worten hat Sebastian Kurz laut „Standard“ einst um einen Job für ihn geworben – bei Thomas Schmid, als er mit diesem noch gut auskam. Damals war noch nicht absehbar, dass Tursky 2024 als Spitzenkandidat der ÖVP bei der Innsbrucker Bürgermeister- und Gemeinderatswahl antreten würde. Als solcher klotzte er wie Kurz, trat unter anderem auch mit Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel auf. Allein: Es brachte ihm nichts. Der ehemalige Staatssekretär schaffte es nicht einmal in die Stichwahl. Er musste sich am 14. April nicht nur Amtsinhaber Georg Willi und dem einstigen Schwarzen Johannes Anzengruber geschlagen geben, sondern auch dem Freiheitlichen Markus Lassenberger und der Sozialdemokratin Elisabeth Mayr. Mit kaum mehr als zehn Prozent erreichte er Platz fünf. Wie seine Partei im Gemeinderat – die ÖVP wohlgemerkt, in der Landeshauptstadt Tirols.
Für die Volkspartei ist es eine weitere Niederlage. Zuletzt ging die Führung über die Stadt Salzburg verloren. Fortsetzung absehbar: Bei der EU-Wahl Anfang Juni genauso wie bei der Nationalratswahl Ende September und den dann folgenden Landtagswahlen: In Vorarlberg hält die Partei laut einer Umfrage, die der Meinungsforscher Peter Hajek im Auftrag der Neos gerade erstellt hat, nur 32 Prozent. Das ist nichts Neues. Neu ist, dass die FPÖ steigt und steigt und laut Hajek bereits 29 Prozent hält. Es könnte knapp werden. In der Steiermark ist überhaupt alles offen, könnte Christopher Drexler als Landeshauptmann durch einen Sozialdemokraten genauso abgelöst werden wie durch einen Freiheitlichen.
Kein Wunder: Jedenfalls auf Bundesebene, in Vorarlberg und Innsbruck stolpert die ÖVP über ihr Unvermögen, Politik zu machen. Natürlich: Karl Nehammer, Markus Wallner und Florian Tursky sind ein Stück weit Politiker. Sie glauben zum einen aber zu sehr, Stimmungen gerecht werden zu müssen, sind also eher Getriebene als Politiker. Und zum anderen sind sie unglückliche Kurz-Kopien in dem Sinne, dass sie mit Akzenten wie „Leitkultur“ oder „Vorarlberg-Kodex“ glauben, quasi blau machen zu müssen. Wobei sie es nicht einmal schaffen, den Rechtspopulismus durchzuhalten – weil er ihrem Wesen letzten Endes halt doch widerspricht.
Selten ist eine Partei so absehbar von Niederlage zu Niederlage gelaufen, wie es die ÖVP derzeit tut. Auch das ist kein Wunder: Tursky, zu Jahresbeginn noch Staatssekretär im Finanzministerium, hat geglaubt, er könne als Quereinsteiger in wenigen Wochen die Kommunalpolitik unterm Goldenen Dach aufmischen. Die Leute sind jedoch nicht dumm. Gerade auf dieser Ebene sehen sie, wer verwurzelt ist, wer glaubwürdig ist. Da konnte er schwer punkten.
Nehammer, Wallner und Drexler wiederum mag niemand ablösen. Verrückt wäre ein Finanzminister Magnus Brunner oder eine Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, die immer wieder als Nehammer-Nachfolgekandidaten genannt werden, sich das vor der Nationalratswahl anzutun. Dann müssten sie den Kopf für einen ÖVP-Absturz hinhalten.
Andererseits: Warum sollen sie sich danach vordrängen? Wenn es so weiterläuft, hat die ÖVP nur schlechte Karten: Juniorpartnerin in einer blau-türkisen Koalition unter Herbert Kickl (FPÖ) oder in einer Vielparteienkoalition unter Andreas Babler (SPÖ). Weichenstellungen werden gleich nach der Wahl erfolgen. Ebensolche wird es sehr schnell auch in der Steiermark und in Vorarlberg geben. Für eine Neuaufstellung der Partei wird da kein Platz sein.
Das ist das Dilemma der ÖVP. Für sie wäre das wichtig, was sie in Vorarlberg und der Steiermark gar nicht und auf Bundesebene seit 38 Jahren nicht kennt: die Oppositionsrolle. Dann hätte sie Zeit, sich endlich einmal grundlegend um sich selbst zu kümmern.