Türkis-Blau, die Vierte

-

ANALYSE. Die ÖVP geht in einem weiteren Bundesland (Vorarlberg) eine Zusammenarbeit mit der FPÖ ein. Damit wird auch der Spielraum für eine andere Koalition auf Bundesebene eingeschränkt.

In Vorarlberg hat sich die Volkspartei, die bei einer Landtagswahl Mitte Oktober auf 38,3 Prozent und damit erstmals auf weniger als 40 Prozent gekommen ist, mit Freiheitlichen (28 Prozent) zusammengetan. Genauer: Unter Führung von Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hat sie sich auf eine Koalition mit der FPÖ von Christof Bitschi verständigt. Das bedeutet unter anderem dies: Grüne haben damit ihre letzte Regierungsbeteiligung auf Länderebene verloren. Wie die SPÖ (in Wien) hat die ÖVP (nach zuletzt Salzburg und Tirol) jetzt auch in Vorarlberg das Interesse daran verloren, mit ihnen Politik zu machen.

Zweitens: Die – aus ÖVP-Sicht – angesagte Konstellation ist Türkis-Blau. Nach Oberösterreich, Niederösterreich und Salzburg ist es nun eben auch in Vorarlberg soweit. In vier von neun Bundesländern. In Folge der Steiermark-Wahl am 24. November könnte das fünfte folgen, laut Umfragen aber in umgekehrter Zusammensetzung. Die FPÖ hat Chancen, stärkste Partei zu werden, was allenfalls Blau-Türkis bedeuten würde.

Wichtiger: Diese Entwicklung wird Konsequenzen für die Bundespolitik haben. Mag sein, dass die ÖVP mit Karl Nehammer hier noch eine Koalition mit Sozialdemokraten und Neos eingeht. Der Spielraum, ganz andere Akzente zu setzen, wird realpolitisch jedoch kleiner.

Gerade in der Volkspartei ist die Haltung von Landeshauptleuten wesentlich. Nicht einmal Sebastian Kurz hat es gewagt, groß davon abzuweichen. Es war allenfalls so, dass ihnen seine Ausrichtung aufgrund der Wahlerfolge, zu denen er auch ihnen verhalf, recht waren. Bei Nehammer ist das nun anders. Eine Zeit lang hatte er einen Bonus, weil er bereit war, die Partei nach Kurz zu führen. Dieser Bonus ist irgendwann jedoch erschöpft. Und zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem die Landeshauptleute das Gefühl haben, dass Nehammer mehr schadet als nützt.

Was Nehammer natürlich auch sieht. Es ist wohl kein Zufall, dass er im Frühjahr 2023 zunehmend begonnen hat, auf Distanz zu Grünen zu gehen und Österreich etwa als Autoland zu bezeichnen. Damals, nach der Niederlage bei der nö. Landtagswahl, ist auch die dortige Landeshauptfrau von einem Miteinander zu einem Gegeneinander übergegangen. Hat versucht, vorzugeben, was Normalität bedeutet. Hat sich dabei gerne auch auf Auseinandersetzungen mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) eingelassen, der ihre Aussagen als „präfaschistoid“ bezeichnete. Er ärgere sich nur über ihre Gedanken zu Klimaklebern, meinte sie. Später warf sie Grünen einen „Feldzug“ gegen Pendler vor.

Diese Entfremdung zwischen Türkisen und Grünen ist also eine, die von Seiten der ÖVP (und umgekehrt auch der Grünen) auf allen Ebenen betrieben wurde. Und die nun auch im Bund zu einem Ende der Zusammenarbeit führen wird. Einfache Erklärung: Insbesondere grüne Klima- und Verkehrspolitik ist für die Volkspartei eine Belastung geworden; eine Belastung im Wettbewerb um Wähler, den sie sich mit der FPÖ liefert.

Das Zusammengehen mit Freiheitlichen in den Ländern ermöglicht es der ÖVP nun, hier eine Politik aus einem Guss zu machen, nach der sich viele dieser Wähler ihrer Einschätzung nach sehnen. Auch das kann nicht ohne Folgen für die Bundespolitik bleiben: Nehammer kann zum Beispiel schwerer eine Sozialpolitik betreiben, die Vorstellungen der SPÖ entspricht, wenn in den Ländern (zugespitzt formuliert) zunehmend betont wird, dass Zuwanderern aus Prinzip möglichst nichts zu gewähren ist.

Ähnliches trifft auf Gesellschaftspolitik im weitesten Sinne zu: Freiheitlichen ist es wichtig, Frauen bzw. junge Mütter zu fördern, die ihre Kinder zu Hause betreuen. Die ÖVP hat in den Ländern nicht viel dagegen einzuwenden. Aus sozialdemokratischer Sicht ist das jedoch ein Rückschritt; genauso wie aus pinker oder grüner. Die Liste ist unendlich, reicht im Übrigen von Kultur- bis Bildungs- oder auch Integrationspolitik – wo immer Länder mitwirken oder das Gefühl haben, mitwirken zu müssen. Landeshauptleute haben einst ja sogar die Impfpflicht durchgesetzt.

dieSubstanz.at ist ausschließlich mit Ihrer Unterstützung möglich. Unterstützen Sie dieSubstanz.at gerade jetzt >

dieSubstanz.at – als Newsletter, regelmäßig, gratis

* erforderliche Angabe


Könnte Sie auch interessieren

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner