ANALYSE. Die neue ÖVP lässt den Freiheitlichen nicht viel Platz. Umso radikaler werden sie im Hinblick auf die Wiener Gemeinderatswahl.
Es ist schon eine außerordentliche Geschichte, wenn Donald Trump, der amerikanische Präsident, mit einer Bibel auftritt, um sich fotografieren zu lassen; um seinem Krieg gegen Unruhen, die er selbst befeuert, eine religiöse Dimension zu verleihen. Da ist jeder Vergleich kritisch. Ganz besonders mit einem vergleichsweise bedeutungslosen österreichischen Politiker. Trotzdem: Was im Großen geht, geht auch im Kleinen. Und umgekehrt.
Wien, Frühjahr 2009: „Abendland in Christenhand“ plakatieren die Freiheitlichen und ihr damaliger Chef, Heinz-Christian Strache, verleiht dem Nachdruck, indem er mit einem weithin sichtbaren Kreuz in der Hand auftritt. Zumindest im deutschsprachigen Raum ist das wahrgenommen worden. „Österreichs Rechte machen Politik mit dem Kruzifix“, titelte „Die Welt“ seinerzeit inklusive entsprechender Illustration.
Doch bleiben wir in der Gegenwart: Die FPÖ hat zwei große Probleme im Hinblick auf die Wiener Gemeinderatswahl im Oktober. Strache und sein Platzhalter in der Stadt, Johann Gudenus, sind ihr abhanden gekommen. Jetzt hat sie kein bekanntes Gesicht mehr. Schlimmer noch: Die neue ÖVP hat ihre Position im Duell gegen die SPÖ übernommen. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat das – ruckzuck – mit ein paar Angriffen oder Unterstellungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus erledigt. Rein parteipolitisch gut für die Volkspartei und katastrophal für die Freiheitlichen.
Wozu braucht man sie überhaupt noch? Wer soll nicht umhin kommen, sie zu wählen? Ihre Versuche, die Frage zu beantworten, sind verzweifelt, aber nicht vernachlässigbar: Schon lange profitiert die Partei immer wieder davon, dass sie ignoriert wird, wenn sie klein und in Opposition ist. Ernstgenommen wird sie erst, wenn sie regiert. Was vielleicht auch ein Grund dafür ist, dass sogenannte „Einzelfälle“ eher nur dann so zahlreich werden.
FPÖ-Wien-Chef Dominik Nepp ist in der Coronakrise bemüht, Nehammer kommunalpolitisch zu übertreffen. „Rot-Grünes Asyl-Chaos führt zu Corona-Chaos in Wien“, behauptet er. Anlass: Infektionen in einer Unterkunft für Geflüchtete, die jedoch bei weitem nicht zu dem Ergebnis geführt haben, das Nepp gerne hätte (Chaos). Andererseits: Das Potenzial der Geschichte sollte nicht unterschätzt werden. Nepp wird daher wohl dabei bleiben. Es geht um die Kombination von Asyl und Corona, von Flüchtlingen und Viren.
Beinahe untergegangen wäre wiederum eine Aussendung des freiheitlichen (nicht amtsführenden) Stadtrates Maximilian Krauss. Der Mann übernimmt demnach die Erzählung von Trump, wonach nicht Rassismus, sondern viel mehr gewalttätige Linke hinter den Unruhen in den USA stehen sollen. Und er behauptet im Ernst, dass es diesbezüglich auch in Österreich einen Handlungsbedarf gebe: Nach der Ankündigung Trump, die radikale Antifa zur Terrororganisation zu erklären, solle diese Gruppierung auch hierzulande verboten werden, so Krauss.
Zur Einordnung eine zusammenfassende Bemerkung aus dem jüngsten Verfassungsschutzbericht: „Bedingt durch die in quantitativer Hinsicht eher kleine österreichische Szene, die evidenten organisatorischen Schwächen sowie aufgrund des Umstandes, dass internationale Veranstaltungen und sonstige Anlässe für großangelegte und erfolgversprechende Mobilisierungskampagnen in Österreich in der Regel fehlen, dürfte das Mobilisierungspotenzial des linksextremen Spektrums, in personeller Hinsicht, auch weiterhin beschränkt bleiben.“
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