ANALYSE. Weil schon über Ministerlisten gesprochen wird: Wenn, dann braucht Karl Nehammer neues Personal.
Klaudia Tanner würde gerne Verteidigungsministerin bleiben. Ihre Chancen sind gut: Sie hat die niederösterreichische ÖVP nicht nur hinter sich, sondern ist über den mächtigen Bauernbund auch stark verwurzelt in dieser. Für Karl Nehammer ist das bei aller Freundschaft übel: „Kein Weiter wie bisher“ hat er als Devise ausgegeben für Türkis-Rot-Pink. Und das lässt sich eher nur durch personelle Veränderungen zum Ausdruck bringen.
Es kann nicht nur bedeuten, dass die ÖVP Sozialdemokraten und Neos durch Grüne ersetzt als Koalitionspartner. Zumal diese kaum weniger selbstbewusst und damit auch lästig für sie sein werden, sofern die Zusammenarbeit zustande kommt. Notwendig wären Akzente, die dazu angetan sind, das Vertrauen in Regierende zu stärken. Dazu möglich wären Reformen. Damit wird es jedoch schwierig, das Ziel in absehbarer Zeit zu erreichen: Zum einen sind noch keine großen Würfe in eine bestimmte Richtung absehbar. Zum anderen werden in jedem Fall unpopuläre Sparmaßnahmen nötig, mit denen zunächst nichts zu gewinnen ist.
Das Vertrauen zurückgewinnen wird daher realistischerweise eher nur durch handelnde Personen möglich sein. Sprich, durch neue Regierungsmitglieder. In gewisser Weise ist es schon ein Handicap, dass Nehammer an der Spitze bleiben dürfte. Bei allen Bemühungen hat er es bisher kaum geschafft, einen Kanzlerbonus zu entwickeln. Erst im Wahlkampf hat er diesbezüglich durch bisweilen bemüht staatsmännisches Auftreten etwas weitergebracht. Für Platz eins für die ÖVP hat es jedoch nicht gereicht.
Karl Nehammer hat nach wie vor ein Imageproblem: Er steht für die vergangenen Krisenjahre und auch die Volkspartei von Sebastian Kurz. Mit beidem ist ein massiver Vertrauensverlust in die Politik einhergegangen. Umgekehrt hat er sich eben nicht neu erfinden können: Gerne würde er die Mitte besetzen, zeigt sich aber etwa auch gerne an der Seite von Elon Musk, um den Donald Trump-Vertrauten für die angebliche Meinungsfreiheit zu loben, die er seiner Ansicht nach auf X (Twitter) walten lässt.
Umso mehr würde es für Nehammer darauf ankommen, Leute in die Regierung zu holen, durch die er zeigen kann, was „Kein Weiter wie bisher“ bedeutet. Also etwa Klaudia Tanner als Verteidigungsministerin und Gerhard Karner als Innenminister zu ersetzen, sofern er die Ressorts für die ÖVP halten kann. Den beiden vertrauen laut APA/OGM-index mit keinen 30 Prozent der Österreicher noch weniger als ihm und misstrauen mit 57 bzw. 49 Prozent fast so viele wie ihm. Die bisherige Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm liegt diesbezüglich kaum besser, von Integrationsministerin Susanne Raab ganz zu schweigen. Siehe Grafik.
Sehr bescheiden mögen auch die Werte des möglichen künftigen Vizekanzlers Andreas Babler sein. Der Sozialdemokrat hat jedoch einen Vorteil: Er kann für seine Partei immerhin ausschließlich Leute in die Regierung holen, die quasi noch unverbraucht sind. Für Nehammer ist das ungleich schwieriger; er sollte für die ÖVP nicht nur einen neuen Wirtschaftsminister oder eine neue Wirtschaftsministerin engagieren; er sollte nicht nur zulassen, dass das Finanzministerium aufgrund der katastrophalen Budgetlage nach Gernot Blümel und Magnus Brunner (beide ÖVP) zumindest an einen parteifreien Kapazunder (wie z.B. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr) geht; er sollte, ja muss Raab ebenso ersetzen wie – gegen niederösterreichischen Widerstand – etwa Tanner: Dann gelingt es ihm vielleicht, ein paar Monate zu gewinnen, in denen ein größerer Teil der Wählerschaft gespannt auf „die Neuen“ schaut und Hebert Kickl (FPÖ) daher deutlich weniger Aufmerksamkeit genießt. Es wäre eine Chance.