ANALYSE. Für Grüne entwickelt sich die geplante Einstellung der ältesten Tageszeitung der Welt zu einer politischen Offenbarung. Allerdings: Sie hätten noch eine Korrekturmöglichkeit.
ÖVP-Politiker mögen in Sonntagsreden vereinzelt noch von einem schlanken Staat reden. Wenn es um Macht bzw. Message Control geht, hört sich das jedoch auf: Dann meinen sie, dass der Staat die älteste Tageszeitung der Welt zwar einstellen, sie aber als Online-Medium unter dem dann unpassenden Titel „Wiener Zeitung“ fortführen soll; eine Zeitung ist laut Wikipedia nach heutigem Verständnis „ein periodisch erscheinendes Druckerzeugnis mit aktuellem und universellem Inhalt“. Im Übrigen soll sich die gleichnamige Gesellschaft dieses Mediums, das dann eigentlich keine Zeitung mehr ist, in politischer Zuständigkeit des Bundeskanzlers um Journalismusausbildung kümmern.
Wenn, dann wird es Vergleichbares aus guten Gründen nur in wenigen Demokratien weltweit geben.
Die Frage, ob der Staat eine Zeitung besitzen muss, erübrigt sich. Er führt Anderes im Schilde und das stößt auf ziemlich breiten Protest, wie zahlreiche Stellungnahmen zum Begutachtungsentwurf zeigen. Geht es nach Medienministerin Susanne Raab (ÖVP), dann waren sie zum Krenreiben. Die Begutachtungsfrist endete am 30. November. Schon eine Woche davor teilte sie mit, dass man „ein gutes Konzept“ erarbeitet habe und nicht daran denkt, Grundsätzliches zu ändern. Das sagt auch etwas aus. Hier besteht nicht einmal eine Debattenbereitschaft.
Für den Koalitionspartner geht es in der Sache um einen Sündenfall und eine Offenbarung gleichermaßen: Wie halten es die Grünen mit wesentlichen Bestandteilen der Demokratie, nämlich Medienvielfalt und unabhängigem Journalismus? Beides ist gefährdet – durch die Verstaatlichung der Ausbildung mit einer solchen Subventionierung, dass es für private Anbieter daneben schwierig werden könnte, sich zu halten; bzw. allein durch die Möglichkeit, dass, wie der „Presseclub Concordia“ warnt, der Kanzler anschaffen könnte, was in der Journalismusausbildung zu lehren ist. Sowie durch die Einstellung der Wiener Zeitung. Dann gibt es nur noch 13 Tageszeitungen in Österreich, wobei eine, das oberösterreichische Volksblatt, eine auch durch öffentliche Inserate geförderte Parteizeitung ist (sie gehört zur dortigen ÖVP).
Wie halten es die Grünen damit? Ist es ihnen egal, weil sie sich angewöhnt haben, auf Social-Media-Kampagnen zu setzen und Medien bzw. Journalismus immer weniger brauchen? Das ist eine böse Unterstellung. Sie will jedoch widerlegt werden. Mediensprecherin Eva Blimlinger hat in einem „Standard“-Interview auf die Frage, warum die „Wiener Zeitung“ zur Sicherung ihres Fortbestandes nicht wenigstens verkauft wird, erklärt: „Weil sie niemand will! Das ist ganz einfach. Es hat immer wieder Leute gegeben, die Interesse angemeldet haben. Aber es gab nie ein Angebot. Es war immer klar: Wenn Menschen das kaufen, stellen sie die Zeitung ein.“
Zum ersten Teil: In den vergangenen Wochen haben Leute wie Hannes Androsch vermittelt, dass es sehr wohl Interessenten gibt. In Debatten haben außerdem sehr viele Menschen betont, wie wichtig ihnen eine Fortführung wäre. Hier müsste Blimlinger nun konsequenterweise anknüpfen: „Ok, es hat sich offenbar einiges geändert. Also: Wer würde die Wiener Zeitung übernehmen wollen? Treten Sie vor!“
Dass Private keine (demokratiepolitisch) guten Medienmacher sein müssen, sondern mehr oder weniger Unternehmer sind, denen es ums Geldverdienen geht, ist klar. Insofern wäre die „Wiener Zeitung“ unter einem Investor nicht gesichert. Genau dazu trägt aber wiederum der Staat bei, indem er nicht so sehr Qualität und Innovation fördert, sondern insbesondere durch Inserate einen Boulevardjournalismus, bei dem es nach unten hin keine Hemmungen gibt. Signal: Österreichische Medienpolitik ist eher nur an diesem interessiert.