ANALYSE. Die blaue-schwarze Ressortverteilung wird brisant. Da wird sich Van der Bellen allenfalls querlegen müssen.
Sowohl für die FPÖ als auch für die ÖVP könnte das Justizministerium sehr interessant sein. Hier könnten Freiheitliche Gesellschaftspolitik machen, angefangen durch die Herabsetzung des Alters, aber der eine Person strafmündig ist. Relevant ist für beide vor allem aber die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Sie ist ihnen einfach nur lästig. Und das ist jetzt ein Hilfsausdruck: Der Nationalrat hat gerade die Immunität des Möchtegern-„Volkskanzlers“ Herbert Kickl (FPÖ) aufgehoben. Sie will wegen des Verdachts der Falschaussage vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss gegen ihn ermitteln.
Wie sie es schon gegen Ex-ÖVP-Hoffnungsträger Sebastian Kurz getan hat. Ergebnis bekannt. Im Zusammenhang mit der türkisen Korruptionsaffäre hatte dieser im Übrigen vor etwas mehr als drei Jahren zurücktreten müssen. Politisch war er nicht mehr tragbar gewesen. Rechtlich ist die Sache noch offen. Wie auch für die Volkspartei. Sie wird hier als Beschuldigte geführt.
Und da soll der geschäftsführende ÖVP-Obmann Christian Stocker als Vizekanzler auch Justizminister werden? Für letzteres wird er interessanterweise immer wieder genannt. Obwohl es so offensichtlich untragbar wäre.
Das Ganze zeigt, wie brisant die blau-schwarze Ressortverteilung wird. Hier wird Bundespräsident Alexander Van der Bellen mitreden müssen. Mehr oder weniger deutlich signalisieren müssen, dass er sich allenfalls querlegen würde. Ein blauer Justizminister geht nicht, ein schwarzer schon gar nicht. Gefragt ist eine Persönlichkeit, die keiner der beiden Parteien verpflichtet ist.
Was sich so einfach sagt: Man darf sich nichts vormachen. In der Bundesregierung herrscht Einstimmigkeitsprinzip. Würde man zum Beispiel einen Linken nehmen, wäre Kickl politisch auf null gestellt. Was er wiederum nicht zulassen könnte. Es müsste sich also zum Beispiel um eine Frau handeln, die das Regierungsprogramm mitträgt. Exklusive WKStA-Zerschlagung.
Aufgrund der Budgetlage schwer vorstellbar ist, dass die ÖVP weiterhin das Finanzministerium führen darf. Kickl könnte jedoch zu ihren Gunsten verzichten darauf. Es gibt wichtigeres für ihn: Er braucht das Innen-, das Integrations- und das Sozialministerium, um einschlägige Signale in der Asyl- und Integrationspolitik sowie an „fleißige Österreicher“ aussenden zu können. Er braucht das Bildungsministerium, um das durchsetzen zu können, was er als „ideologiefreie Bildung“ bezeichnet. Und zwar mit „Meldestelle gegen politisierende Lehrer“. Er braucht das Verkehrsministerium. Schon allein wegen der Autofahrer. Außerdem braucht er die Verantwortung für Kultur- und Medienpolitik. Eine Reform des ORF ist ihm so wichtig, dass er sie nebenbei auch bei der jüngsten Pressekonferenz erwähnte, die eigentlich der Budgetsanierung gewidmet war.
Wie die WKStA ist aus seiner Sicht auch Journalismus lästig. Der Zusatz unabhängig oder kritisch fehlt hier. Weil das selbstverständlich dazugehört und daher ein Problem für Kickl ist: Für einen, der vorgibt, zu wissen, was alternativlos sei fürs Volk, ist jemand, der ihm widerspricht, eine Bedrohung. Womit im Falle des ORF etwa Ö1-Journale oder die ZIB 2 gemeint sind. Das wird es in der bestehenden Form bei einem „Grundfunk“ (Kickl) kaum noch geben.
Zu beachten bei der Ressortverteilung ist, dass es unter Garantie weniger Ressorts geben wird: Budgetär bringt das zwar nichts Nennenswertes, es beschert aber Schlagzeilen und Wirkung. Gefühlt wird es sich für eine Masse um die größte Sparmaßnahme überhaupt handeln. Aus zwölf könnten vor diesem Hintergrund maximal zehn Ressorts werden, inklusive Bundeskanzleramt. Da würden der ÖVP Landwirtschaft mit Klima (weil künftig weniger bedeutend), Wirtschaft, Verteidigung, Äußeres und vielleicht eben Finanzen bleiben.