ANALYSE. Anhaltend hohe Inflation, Budgetnot und keine Mehrheit für eigene Vorstellungen: Für die Sozialdemokratie ist die Lage ganz besonders kritisch.
Aus Sicht von SPÖ-Chef Andreas Babler hat sich die Formel „Freund, Feind, Parteifreund“ am vergangenen Montag bestätigt: Fast schlimmer als die Botschaft von Bundeskanzler Christian Stocher (ÖVP) im Sommergespräch des ORF, wonach Durchschnittspensionen real gekürt werden sollen, war die Ankündigung der Genossen in Wien, Öffi-Tickets und das Parken massiv zu verteuern. Da mag man lang und breit relativieren, dass das ja nur eine Teilanpassung an die Inflation sei, die über die Jahre zusammengekommen ist, beteuern, dass es der Qualitätssicherung diene und so weiter und so fort – für die Sozialdemokratie bleibt’s ein Wahnsinn.
Man muss die Erhöhung vor dem Hintergrund sehen, dass der Druck, sie vorzunehmen, groß ist, weil man den Leuten jahrelang etwas vorgemacht hat (Zitat Michael Ludwig vom heurigen März: „Ebenso wird (die) Jahreskarte der Wiener Linien auch künftig um 365 Euro, also 1 Euro pro Tag zu haben sein!“). Sprich: Hier kommt es zu einem Vertrauensbruch.
Außerdem muss man berücksichtigen, wieviele Menschen in Wien von den Erhöhungen betroffen sein werden. Fast alle. Und das in Verbindung mit einer Inflationswelle, die gerade „durchrauscht“ (Babler): Da ist das stimmungsmäßig und sachlich verkehrt. Statt inflationsdämpfende Maßnahmen zu setzen, schreitet man zu inflationsverstärkenden.
Dramatischer für die Sozialdemokratie: Es hat auch mit der Budgetnot zu tun, die groß ist. Man habe kein Geld für umfangreiche Impulse, hat Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) gerade gesagt. Man kann sich auch keine Maßnahmen zur Entlastung leisten, sondern muss sich mit der ständigen Wiederholung der Forderung an „die EU“ begnügen, den sogenannten „Österreich-Aufschlag“ zu verbieten. Selbst hat man ja einen Spielraum mehr, zum Beispiel Steuern zu senken.
Das alles sind Umstände, die es für die SPÖ besonders naheliegend erscheinen lassen würden, ihre Vorstellungen von Umverteilung auf den Tisch zu legen und umzusetzen. Aber sie hat erstens keine Mehrheit auf parlamentarischer Ebene dafür und zweitens ÖVP und Neos zugesagt, das sein zu lassen für diese Legislaturperiode. Ja, wenn man den Kanzler so über die Sozialhilfe reden hört (Kürzung, Kürzung, Kürzung), kann man sich nicht einmal vorstellen, dass sie Vereinbartes wie die Kindergrundsicherung noch durchbringen kann.
Danach, also in der nächsten Legislaturperiode, könnte es für Babler und Co. zu spät sein. Vielleicht wird die Teuerung schon bald nachlassen. Die Budgetnot bleibt jedoch, sodass es auch in absehbarer Zeit nicht nur nichts zu verteilen geben wird, sondern eher noch mehr genommen werden muss (wie jetzt eben in Wien); im Übrigen wird auch das Wirtschaftswachstum viel zu niedrig bleiben.
Das würde es für die Sozialdemokratie geradezu überlebensnotwendig machen, sichtbarer Teil einer Politik zu sein, die auch ihr entspricht und die Menschen das Gefühl nimmt, dass alles den Bach runtergehe; dass die guten Zeiten vorbei seien, man sich immer weniger leisten könne und sich der Lebensstandard nur noch verschlechtere. Genau das nämlich ist das, was die FPÖ stark macht.