ANALYSE. Die Causa Silberstein ist viel mehr als nur eine parteiinterne Angelegenheit. Kern stellt Dinge in den Raum, die an den Grundfesten der Demokratie rütteln.
Der SPÖ-Politiker Christoph Matznetter soll sich die Sache anschauen. „Ein gelernter Wirtschaftsprüfer“, wie SPÖ-Chef Kanzler Christian Kern am Sonntagnachmittag in seiner Presseerklärung zur Causa Silberstein erklärte: Wie konnte es sein, dass Facebook-Seiten zur Diskreditierung von Sebastian Kurz (ÖVP) auch nach einer Vertragsauflösung mit Tal Silberstein Mitte August weiterbetrieben worden sind? Das soll Matznetter untersuchen. Und noch viel mehr. Zum Beispiel: „Wie kann das sein, dass das (bei den Seiten; Anm.) Mitarbeiter sind, die das betrieben haben, die langjährige Mitarbeiter von anderen Parteien gewesen sind?“
Am Abend in der ATV-Elefantenrunde wurde Kern noch deutlicher: Da stellte er indirekt eine Beteiligung der ÖVP in den Raum: Woher er wisse, dass die Facebook-Mannschaft aus zwölf Leuten bestanden habe, meinte er an Kurz gerichtet: „Sie haben beachtliches Insiderwissen!“
Diese Unterstellung hat das Zeug zu einer veritablen Demokratiekrise, um es vorsichtig auszudrücken; sie reicht weit über eine SPÖ-Angelegenheit hinaus: Dass die Partei übelste Seiten gegen Kurz betreiben ließ, ist das eine, allein schon inakzeptable. Dass ihr Chef dann aber noch die Möglichkeit in den Raum stellt, dass man letzten Endes selbst zum Opfer dieser Seiten geworden sei, weil sie von Mitbewerbern weitergeführt und zwei Wochen vor der Wahl als vermeintliche SPÖ-Seiten veröffentlicht wurden, ist das andere.
Hier geht es nicht nur um einen Bienenzüchterverein. Hier geht es darum, ob potenzielle Regierungsparteien Vertrauen verdienen oder nicht.
Das muss man jetzt nicht mit dem ersten Teil messen, das ist müßig. Das Entscheidende ist dies: In jedem Fall nimmt die Sozialdemokratie Schaden. Zum Teil selbst verschuldet; und zum anderen, weil laut Kern das eine andere Partei möglicherweise auch noch mutwillig verstärkt hat.
Wenn der Kanzler so etwas auch nur in den Raum stellt, dann muss er die entsprechenden Konsequenzen ziehen: Hier geht es nicht nur um einen Bienenzüchterverein. Hier geht es darum, ob Parteien, die Regierungsverantwortung übernehmen könnten, Vertrauen verdienen oder nicht; ob sie sich einer redlichen Auseinandersetzung stellen oder mit – vielleicht sogar strafrechtlich relevanten – Methoden vorgehen.
Also kann es auch nicht sein, dass Christian Kern so tut, als könne ein Genosse, der Nationalratsabgeordnete Christoph Matznetter, die Aufklärungsarbeit leisten. Es ist vielmehr das Mindeste, das anzuzeigen.*
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* Dieser Text erschien, ehe die SPÖ rechtliche Schritte angekündigt hat.