ANALYSE. In der Partei scheint kaum noch jemand an einen Erfolg von Andreas Babler zu glauben. Das müsste diesem grundsätzlich nicht schaden. Ihm fehlt jedoch etwas.
Die jüngere Vergangenheit der österreichischen Sozialdemokratie kann man in eine Zeit vor dem 9. Mai 2016 einteilen und in eine Zeit seit diesem Tag. Seither ist ihr Machtgefüge schwer gestört. Bis dahin kam der Wiener Landesorganisation eine entscheidende Rolle zu. Dann jedoch ereignete sich schier unvorstellbares: Landesorganisationen taten sich zusammen, um gegen ihren Willen den Rücktritt des damaligen Vorsitzenden Kanzler Werner Faymann zu erzwingen. 2023 versuchte sie vergeblich, dessen Nach-Nachfolgerin Pamela Rendi-Wagner zu halten. Letzten Endes konnte sie lediglich verhindern, dass der Burgenländer Hans Peter Doskozil zum Zug kommt. Nämlich, indem sie Andreas Babler unterstützte. Ohne ihre Hilfe hätte es dieser nicht an die Spitze geschafft. Problem: Er steht nun an der Spitze, ist in Wirklichkeit aber nicht ihr Mann. Genauer: Nicht der Mann, dem sie Großes zutraut.
Ergebnis: Babler stößt heute weder in Wien noch in den Ländern auf wahrnehmbare Unterstützung. Im Gegenteil: Auf die Frage, ob er der richtige an der Parteispitze sei, meinte die 2. Nationalratspräsidentin Doris Bures, eine maßgebliche Wienerin, jüngst in der „Presse“: „Er ist schon einer, der in der Lage ist zu sehen, was die Menschen belastet und wo ihre Probleme sind – von der Teuerung bis zur Situation auf dem Arbeitsmarkt. Wir haben aber bei der ÖVP gesehen, dass es kein gutes Rezept ist, einem falschen Messias nachzulaufen.“ Niederösterreichs Landesparteichef Sven Hergovich wiederum wollte die Frage, ob sich Babler in seiner Funktion bewiesen habe, im „Standard“ gerade trotz dreimaliger Nachfrage nicht mit „Ja“ beantworten.
Die (mittlerweile) distanzierte Haltung des Spitzengewerkschafters Josef Muchitsch ist ebenso bekannt wie die des steirischen LH-Stellvertreters Anton Lang, der sich mehr „Mitte“ wünscht. Von Doskozil und dem Tiroler Georg Dornauer gar nicht zu reden.
Selbst Bernhard Auinger, der sich in Salzburg in der Bürgermeister-Stichwahl klar gegen Kay-Michael Dankl (KPÖ) durchgesetzt hat, ist ganz offensichtlich kein Babler-Typ: In einem „Standard“-Interview ist er gefragt worden, was er an Dankl schätze. Antwort: „Er ist ein unwahrscheinlich sympathischer, hochgebildeter Träumer.“ Letzteres war wohl despektierlich gemeint. Auch Babler kennt das. In seiner Parteitagsrede im vergangenen Jahr ist er daher proaktiv darauf eingegangen: „Träumer, das ist nur ein anderes Wort für Sozialdemokrat“, meinte er. Für Typen wie Auinger scheint es jedoch eher für jemanden zu stehen, der nicht ernst zu nehmen ist.
Zugespitzt formuliert könnte man sagen, in der SPÖ halten sie sich einen Vorsitzenden, mit dem sie in Wirklichkeit nichts anfangen können. Es ist das Resultat zahlreicher Zerwürfnisse und eben auch eines Kontrollverlustes der Wiener.
Anderseits: Schaden müsste das Babler nicht. Er hat es vor einem Jahr in der Vorsitzfrage ja vor allem auch so weit gebracht, weil er sich offen gegen das Establishment der Partei gestellt hat. Insofern könnte er jetzt sogar damit spielen, dass ihm so massive Vorbehalte entgegengebracht werden. Es könnte eine Bestätigung für ihn sein.
Er könnte sein Werk befreit angehen. Voraussetzung dafür wäre jedoch, dass er eine wahrnehmbare (Basis-)Bewegung hinter sich hat; dass er in der Kanzlerfrage nicht mit elf Prozent (Rohdatum laut „Unique Research“) schlechter liegt als Rendi-Wagner; dass es für die SPÖ irgendeine Perspektive auf Platz eins oder das Kanzleramt oder eine Koalition gibt, in der er seine Vorstellungen realisieren kann.
Die Graswurzelbewegung, von der Babler immer wieder spricht, ist bisher nicht existent. Vielleicht hat es damit zu tun, dass er sich auf Menschen konzentriert, die nicht oder kaum über die Runden kommen. Das sind eher Leute, die mit der Politik abgeschlossen haben und die sich daher auch an keiner Bewegung mehr beteiligen. Eine solche braucht Babler jedoch. Gerade weil er die eigene Partei nicht hinter sich hat.