SOS ORF

ANALYSE. Nach dieser Wahl wird sich einiges ändern. Wobei das Problem nicht nur die Rachegelüste möglicher Regierungsparteien sind. Es ist vor allem auch die Schwäche des Generaldirektors. 

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ANALYSE. Nach dieser Wahl wird sich einiges ändern. Wobei das Problem nicht nur die Rachegelüste möglicher Regierungsparteien sind. Es ist vor allem auch die Schwäche des Generaldirektors.

Mit einem Regierungswechsel bahnt sich auch eine ORF-Reform an. Womit schon allein aus demokratiepolitischen Gründen erhöhte Wachsamkeit geboten ist: Man kann der Meinung sein, dass die Berichterstattung da und dort in irgendeine Richtung tendiert. Die Antwort darauf kann aber in keinem Fall sein, dass man sie von politischer Seite her zurechtbiegt.

Wie es eben eine so erbärmliche österreichische Sitte ist, die einmal stärker und einmal weniger stark ausgeprägt ist. Wobei ja allerhand zusammenspielt. Schon die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind eine Einladung dazu. Siehe Zusammensetzung des entscheidenden Stiftungsrates nach parteipolitischen Gesichtspunkten.

Zum Zurechtbieten gehören aber immer zwei: Eine Seite, die sich darum bemüht; und eine, die das zulässt. Umso schlimmer sind die Ankündigungen, die besonderes Freiheitliche tätigen; und umso verhängnisvoller ist die Performance von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz.

FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger hat für den Fall der Fälle schon alles vorbereitet.

Das kann nichtgut gehen. FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger hat schon im vergangenen Sommer wissen lassen, dass er im Auftrag seiner Partei und im Hinblick auf eine mögliche Regierungsbeteiligung an einem neuen ORF-Gesetz arbeite. Jetzt hat er das bekräftigt. Und da schwingt so, wie er von der „Kleinen Zeitung“ zitiert worden ist, eine gefährliche Drohung mit: „Wrabetz werde nicht dafür in Erinnerung blieben, dass er „Objektivität im Sinne der BBC verankert hat“. Aber „bis zum neuen Gesetz ist es ja nicht mehr lang“, blickte Steger schon mit kaum verhohlener Vorfreude Koalitionsverhandlungen seiner Partei entgegen. Das Medienkapitel werde er da wohl mitverhandeln.“

Im Wahlprogramm selbst wettert die FPÖ über „Zwangsgebühren“. Was nicht so klingt, als würde sie diese für sinnvoll erachten. Wenn, dann aber sind sie den Ausführungen zufolge nur dann einigermaßen vertretbar, wenn es zu einer „Rückführung des ORF auf seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag“ kommt. Klingt vernünftig. Entscheidend ist aber immer, wer das wie festlegt; und welches Motiv dahintersteht. Bei Steiger jedenfalls ist es zweifelhaft.

Einst war von einer „Entparteipolitisierung“ des ORF die Rede. Das Ergebnis hieß „Mück“.

Von einer „Entparteipolitisierung“ des ORF hat einst schon der damalige Kanzler und ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel gesprochen. Das Ergebnis ist bekannt. Es hieß „Mück“ und stand nicht nur für den Chefredakteur Werner Mück, sondern auch zu viel Hofberichterstattung.

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Jetzt kündigt auch die ÖVP in ihrem Programm eine ORF-Reform an. Viel mehr als eine „Weiterentwicklung“ und eine Sicherstellung „österreichischer Inhalte“ sowie einer „flächendeckenden Präsenz“ (Landesstudios) ist darin aber nicht enthalten. Man darf gespannt sein. Zumal Parteichef Sebastian Kurz erst vor wenigen Tagen für einen Eklat gesorgt hat; lautstark empörte er sich Medienberichten zufolge nicht über „unösterreichische“ Inhalte, sondern die Themenwahl im TV-Duell mit der Grünen Ulrike Lunacek. Das kann noch lustig werden, wenn Kurz erst einmal Kanzler ist.

Zum Zurechtbiegen gehören immer zwei. Also auch der eine, der das hinnimmt. 

Doch beim jetzigen ist auch nicht alles eitel Wonne. Ganz im Gegenteil: Mit den Tal Silberstein-Dokumenten sind Ausführungen über eine ORF-Bestrafungsaktion bekannt geworden, die aus dem engsten Umfeld von Christian Kern stammen sollen. Infolge eines (für ihn) lästigen Bürgerforums im vergangenen Jahr war demnach erwogen worden, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu boykottieren und mehr auf Privatsender zu setzen. Ein ZiB 2-Interview sagte Kern dann auch tatsächlich ab. 

Doch wie gesagt: Zum Zurechtbiegen gehören immer zwei. Also auch der eine, der das hinnimmt. ORF-Chef Alexander Wrabetz ist diesbezüglich die größtmögliche Schwachstelle. Zu oft hat er sich schon bei seinen Wahlen zum Generaldirektor mit den unterschiedlichsten Seiten arrangiert; heute hat er allein von da her kaum noch jemanden für sich, sondern fast alle gegen sich. Selbst Kern wäre bereit gewesen, ihn im vergangenen Jahr zugunsten eines großkoalitionären Kandidaten fallen zu lassen. Und Steger hat eben damals bereits angekündigt, dass er bald entfernt werde (weil ORF-Reform und so).

In jedem anderen Unternehmen wäre das ein Kündigungsgrund. Nicht aber im ORF – was zeigt, wie schwach Wrabetz ist.

Der Schriftsteller Robert Manasse hat Alexander Wrabetz vor wenigen Tagen wiederum in der offiziellen Festrede zum 50. Geburtstag von Ö1 vor versammelter Prominenz die Leviten gelesen: „Wenn da einer (nämlich Wrabetz; Anm.) die Absicht hat, dieses Haus preiszugeben und diesen Sender zusammenzustutzen zu einem Produzenten von Content zur Überbrückung zwischen zwei Werbeeinschaltungen, dann werde ich dieses Mikrophon kapern, dann werde ich zum Moser, dann werde ich zum Aufstand aufrufen.“

Und ORF eins-Infochefin Elisabeth Totzauer hat es mit einer Abrechnung gerade aufs Cover der Branchenzeitung „Der Österreichische Journalist“ geschafft. Titel: „Es zählt jeder Tag “. Untertitel: Sie beklage „unfokussiertes Dauersparen“ und fordere mehr Information und Eigenproduktionen. Das ist ein ziemlicher Hammer: In jedem anderen Unternehmen wäre das für eine Mitarbeiterin ein Kündigungsgrund; und zwar auch dann, wenn der Inhalt, wie in diesem Fall, stimmt. Nicht aber im ORF – was zeigt, wie schwach Wrabetz ist und wie sehr das angesichts der bevorstehenden Veränderung der politischen Rahmenbedingungen ein Problem darstellt, wenn einer gefragt wäre, der sich allenfalls dagegenstellen kann. 

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