Signal für Blau-Türkis

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ANALYSE. Inhaltlich hat sich ÖVP-Klubobmann Wöginger nichts gedacht bei seiner Forderung, die Menschenrechtskonvention zu überarbeiten. Darüber hinaus jedoch sehr viel.

„Die Menschenrechtskonvention infrage zu stellen, löst keine Probleme, sondern rüttelt an den Grundfesten, auf denen unsere Demokratie ruht“, hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Forderung von ÖVP-Klubobmann August Wöginger zurückgewiesen, die Konvention zu überarbeiten. Das Staatsoberhaupt hatte sich schon einmal zu einer solchen Klarstellung gezwungen gewesen: An der EMRK zu rütteln, „wäre eine Aufkündigung des Grundkonsenses der Zeiten Republik“, twitterte er im Jänner 2019 in Richtung des seinerzeitigen Innenministers Herbert Kickl (FPÖ).

Inhaltlich scheint sich Wöginger nichts gedacht zu haben bei seinem jüngsten Vorstoß im Rahmen eines Interviews mit der Tageszeitung „Der Standard“. Auf die Frage, ob das europäische Asylrecht überarbeitet gehöre, sagte er wörtlich: „Ja, das würde ich meinen. Auch die Menschenrechtskonvention gehört überarbeitet. Wir haben mittlerweile eine andere Situation, als es vor ein paar Jahrzehnten der Fall war, als diese Gesetze geschrieben wurden.“ Mehrere Medien berichteten daraufhin, bei Wöginger nachgefragt zu haben, was genau er ändern würde; eine Auskunft erhielt keines.

Das macht die Sache nichts besser. Im Gegenteil: Man kann ihm alles unterstellen. Dass er das Folterverbot aufheben möchte, genauso, wie ein Bemühen, zum Beispiel die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit auszuhebeln. Im ersten Fall wäre es vielleicht „möglich“, Geflüchtete in jede Diktatur zurückbringen, im zweiten wären wesentliche Fluchtgründe eventuell ganz grundsätzlich beseitigt.

August Wöginger hat das in Kauf genommen: Es ist ihm darum gegangen, eine Botschaft auszusenden. Erstens: Die ÖVP ändert sich von ihrer Ausrichtung her nicht unter Karl Nehammer. In Asyl- und Fremdenrechtsfragen bleibt es bei dem, was Sebastian Kurz vorgegeben hat. Damit hat die Partei eine Viertelmillion Ex-FPÖ-Wähler gewonnen und diese will sie nun wieder verstärkt umwerben. Zumal offensichtlich ist, dass entgegen aller Behauptungen von Kurz die „Balkanroute“ nicht geschlossen ist; zumal sich Türkise offenbar zunehmend schwer tun, zumindest für Nachbarschaftshilfe für Menschen aus der Ukraine zu werben; und zumal die Freiheitlichen bereits dazu übergegangen sind, einen „Asylstopp“ zu fordern.

Hier läuft ein brutaler Wettstreit um ein und dieselben Wähler, hier hat Wöginger „eins daraufgesetzt“, um Irritationen über den Kurs seiner Partei entgegenzuwirken.

Das leitet über zur zweiten Absicht des Klubobmannes: Gerade weil die FPÖ in Umfragen zuleget und Chancen zu haben scheint, auf Platz eins zu kommen; und gerade weil Türkis-Grün mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner Mehrheit mehr kommen wird, sieht sich die Volkspartei gezwungen, sich für die nähere Zukunft zu positionieren. Beziehungsweise pro Blau-Türkis.

Asyl- und Fremdenpolitik ist ein entscheidendes Feld dafür, auf dem die ÖVP von vornherein bzw. noch unter Sebastian Kurz auf größtmögliche Distanz zu den Grünen gegangen ist. Siehe Regierungsprogramme, in dem sie sich einen koalitionsfreien Raum für solche Fragen vorbehalten hat – wobei klar ist, dass es ihr darum gegangen ist, im Falle des Falles mit der FPÖ gemeinsame Sache machen zu können.

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