ANALYSE. Dass die Freiheitlichen nicht mehr ausgegrenzt werden, ist zumindest im Wahlkampf ein Problem für sie.
Als hätte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nicht schon genug Probleme: Da betritt Sebastian Kurz die ÖVP-Bühne und die ganze Aufmerksamkeit ist dorthin gelenkt. Umfragen zufolge scheinen sich sogar sehr viele seiner Wähler auch am 15. Oktober einen Wechsel dorthin vorstellen zu können. Offenbar fühlen sie sich durch den 30-Jährigen besser angesprochen. Von wegen Schließung der Balkan- und demnächst vielleicht auch noch der Mittelmeer-Route! Strache und seine Mitstreiter haben dem nichts entgegenzusetzen. Ihre Angebote sind eher dürftig, um nicht zu sagen lächerlich. Von wegen Abschaffung des Rauchverbotes und Verbannung der „Töchter“ aus der Bundeshymne! Gegen das, was Kurz anzubieten hat, ist das nichts.
Und dann kommt jetzt auch noch ein zweites Problem auf die Freiheitlichen zu: Die SPÖ verabschiedet sich von der „Vranitzky-Doktrin“. Das ist nicht gut für sie. Bedeutet es doch, dass sie von den Sozialdemokraten auch offiziell nicht mehr ausgegrenzt werden. Sondern als Teil des Systems anerkannt werden.
Nicht, dass das für die Sozialdemokraten selbst ohne Risiko wäre; ein guter Teil ihrer Anhänger will mit den Blauen nicht einmal anstreifen. In diesem Text jedoch geht es um ebendiese: Ein guter Teil ihres Erfolges beruhte in der Vergangenheit darauf, dass sie bekämpft wurden. Damit haben sie sogar gespielt: „Sie sind gegen ihn, weil er für euch ist“, plakatierten Jörg Haider 1994 und Heinz-Christian Strache 2008. Und in gewisser Weise versuchte im vergangenen Jahr auch Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer Kapital daraus zu schlagen, indem er einen „Anti-Establishment-Wahlkampf“ führte.
„Sie sind nicht mehr gegen ihn, weil er für euch ist“, wirkt nicht.
Wenn den Freiheitlichen nun aber auch Sozialdemokraten, wie Kanzler Christian Kern schon im vergangenen November, attestieren, das Land ebenfalls weiterbringen zu wollen und eine Regierungszusammenarbeit unter gewissen Umständen quasi anbieten, dann wird’s schwierig für sie: Wenn einem die Hand gereicht wird, kann man sie nicht einfach abweisen. Vor allem aber geht die nötige Voraussetzung dafür verloren, polarisieren und damit Wähler mobilisieren zu können: „Sie sind nicht mehr gegen ihn, weil er für euch ist“, wirkt nicht.
So schwierig die Wahl unter diesen Umständen für Strache und Co. wird, so attraktiv könnte die Zeit danach werden: Wie an dieser Stelle schon einmal ausgeführt, hat er gegenüber Kern und Kurz einen Vorteil. Wollen sie wirklich eine Alternative zur Großen Koalition und weiter regieren, sind sie aller Voraussicht nach allein auf ihn angewiesen. Im Unterschied zu ihnen hat er damit also die Möglichkeit, sich einen Partner auszusuchen.
Der durchschnittliche FPÖ-Wähler ist eher für einen starken Staat, der zum Beispiel ordentliche Pensionen sichert.
Wobei Rot-Blau aus seiner Sicht längerfristig eindeutig attraktiver ist als Schwarz-Blau: Der durchschnittliche FPÖ-Wähler ist eher für einen starken Staat, der zum Beispiel ordentliche Pensionen sichert und Land und Leute vor allzu viel Globalisierung bewahrt. Das sind zentrale Anliegen für ihn. Und das sind Dinge, die mit der Sozialdemokratie viel eher zu machen sind als mit der ÖVP, die noch immer – zumindest ein bisschen – Wert auf Leistung, Eigenverantwortung und damit auch Wettbewerb legt. Wie die Freiheitlichen wissen: An Schwarz-Blau sind sie in den 2000er Jahren nicht aus irgendwelchen Gründen beinahe zugrunde gegangen; vor allem auch Nulldefizite und Pensionsreformen haben ihnen schlecht bekommen.
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