Schlimmer als die FPÖ

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ANALYSE. Bei den Türkisen gibt es keine Verantwortungs- und daher auch keine Rücktrittskultur. Eine größere Krise ist damit vorprogrammiert.

Nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos musste Heinz-Christian Strache als Vizekanzler und FPÖ-Chef zurücktreten. Zurecht. Nachdem soeben bekannt geworden ist, dass bei den Grazer Freiheitlichen Fördermittel missbräuchlich verwendet worden seien, mussten die Parteifunktionäre Vizebürgermeister Mario Eustacchio und Klubobmann Armin Sippel ihren Abgang verkünden; laut Landesorganisation werden sie ihre Mandate im „neuen“ Gemeinderat nicht annehmen (in Graz wurde Ende September gewählt). Auch in diesem Fall gilt: zurecht.

Die Rücktritte sind nicht löblich, machen nichts besser. In Anbetracht dessen, was ihnen vorausgegangen ist, sollten sie im Sinne der politischen Verantwortungskultur vielmehr selbstverständlich sein. „Sollten“, weil sie es nicht überall sind.

Rechtlich ist die Causa Kurz wohl noch lange nicht geklärt. Im Übrigen reicht, was vorliegt. Auch hier geht es um Machtmissbrauch. Sogar noch schwerwiegenderen als zumindest bei Strache, der gegenüber einer vermeintlichen Oligarchin erklärt hat, was er alles tun werde, wenn er Macht hat. Bei Kurz und seinem Umfeld dokumentieren die Chats, wie sie ihre Macht eingesetzt haben.

Konsequenzen? Gegen null: Kurz will als Kanzler nicht zurück-, sondern nur zur Seite getreten sein. Eingestanden, was vorgefallen ist, hat er daher bis heute nicht. Entscheidende Landeshauptleute aus den Reihen der ÖVP zögern oder lassen (wie der Salzburger Wilfried Hauslauer) wissen, dass sie weiterhin auf ihn setzen würden.

Die österreichische Politik steht vor einer quälenden Zeit: Sebastian Kurz ist Bundespartei- und Klubobmann der ÖVP. Also wird der Teil der ÖVP, über den er das Sagen hat, alle Energie in ihre Art der Verteidigung gegenüber der Justiz und dem kommenden U-Ausschuss investieren. Sie wird den Abgeordneten Andreas Hanger von „linken Zellen“ in der Staatsanwaltschaft reden und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka als Vorsitzenden den U-Ausschuss behindern lassen, so sehr es ihm möglich ist. Zwischendurch darf sie sich über eine Krawallseite namens „Exxpress“ freuen, die offenbar nicht nur recherchiert hat, wo ein Oberstaatsanwalt und „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk (privat!) wohnen, sondern auch verdächtig findet, dass sie das nur 2,29 Kilometer voneinander entfernt tun (vgl. „Spiegel“-Bericht dazu).

Das lässt Schlimmeres befürchten: So lange Sebastian Kurz die Bundes-ÖVP führen darf, wird er sie für den Kampf um sein politisches Überleben einsetzen. Koste es, was es wolle.

Das ist ein bemerkenswerter Unterschied zu den Freiheitlichen: Obwohl auch Heinz-Christian Strache einst als starker, dominierender Obmann galt, gab es nach Ibiza Funktionäre, die ihn mit größerer Konsequenz zur Verantwortung zogen und letztlich auch aus der Partei ausschlossen. Bei Schwarz-Türkisen sind solche Kräfte noch zu schwach, um Notwendiges durchsetzen zu können.

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