Schlicht ungeniert

-

ANALYSE. Die FPÖ von Herbert Kickl lässt ihren ORF-Stiftungsrat Westenthaler an den Koalitionsverhandlungen teilnehmen. Politisch liegt hier ein Fall von Unvereinbarkeit vor.

Noch ist Herbert Kickl nicht Kanzler, seine Partei, die FPÖ, nicht Teil der Regierung. Beim ORF läuft aber schon vieles in die – von ihnen – gewünschte Richtung. Wie hier berichtet, ortet etwa der sozialdemokratische Stiftungsrat Heinz Lederer eine oberlehrerhafte Berichterstattung. Das müsse sich ändern. Kickl wird’s gefallen.

Die Tageszeitung „Die Presse“ berichtet wiederum, „aus dem FPÖ-Umfeld“ gehört zu haben, dass nicht Generaldirektor Roland Weißmann „das Feindbild“ sei im ORF, sondern drei Redakteure, die die Zeitung namentlich nennt.

Dazu sind drei Dinge festzustellen: Die Formulierung aus dem „FPÖ-Umfeld“ ist fragwürdig. Entweder kommen entsprechende Aussagen aus der Partei oder sie sind wertlos. Und überhaupt: Wer ist „FPÖ-Umfeld“? Deutschnationale Burschenschaften? Die Identitäre Bewegung? Zweitens: Im Ehrenkodex der österreichischen Presse heißt es ausdrücklich: „Anonyme Zitierungen sind zu vermeiden, sofern es nicht um die Sicherheit der zitierten Person oder die Abwehr eines anderen schweren Schadens von dieser geht.“

Das leitet über zu Punkt drei: Der Zeitung ist der Schutz des „FPÖ-Umfeldes“ offenbar wichtiger als der der drei Redakteure. Sie laufen Gefahr, größere Schwierigkeiten zu bekommen: In einem ORF, in dem Teile ohnehin schon Tendenzen zu vorauseilendem Gehorsam gegenüber Kickl zeigen (z.B. eben Lederer), ist eine Belastung, wer vom FPÖ-Chef offenbar abgelehnt wird.

Themenwechsel. Auch die FPÖ hat einen Stiftungsrat. Genauer: Auf ihren Vorschlag sitzt ihr ehemaliger Klubobmann und Generalsekretär Peter Westenthaler im Aufsichtsgremium des Öffentlich-Rechtlichen. Rechtlich ist das gedeckt: Er arbeitet nicht mehr für sie – und zwar in dem Sinne, dass er nicht mehr auf ihrer Payroll steht.

Politisch liegt jedoch eine glatte Unvereinbarkeit vor, die Kickl ganz offensichtlich egal ist. Es zeugt von der Hemmungslosigkeit, mit der er antritt, sich die Verhältnisse zurechtzurichten.

Herbert Kickl will einen Grundfunk, der berichtet, was ihm gefällt. Westenthaler hilft ihm, das umzusetzen. Der Mann, der den ORF innerhalb weniger Monate „an Haupt und Gliedern erneuern“ möchte, der „linke Propaganda“ und „Manipulation“ ortet, sitzt im Stiftungsrat und nimmt jetzt zugleich für die Freiheitlichen an den Regierungsverhandlungen teil.

Das geht nicht. Bei einem Mindestmaß an politischem Anstand, geschweige denn Kultur, wäre klar, dass das eine unmögliche Doppelrolle ist: Es steht Stiftungsräten frei, eigenen Überzeugungen zu gehorchen; diese wiederum können mit Vorstellungen einer Partei übereinstimmen. Sie sind aber dem ORF und nicht einer bestimmten Partei verpflichtet. Das ist ein wesentlicher Punkt. Wie Mitglieder eines Aufsichtsrates unterliegen sie hier eine Treuepflicht.

Kann man jedoch dem ORF und der FPÖ zugleich treu sein? Vor allem wenn es um Medienpolitik im Allgemeinen bzw. den ORF im Besondern geht? Nein.

Laut ORF-Gesetz sind Mitglieder der Stiftungsrates im Übrigen zur Verschwiegenheit verpflichtet. Westenthaler darf also keine Informationen, die er als solches hat, bei Koalitionsverhandlungen für die FPÖ verwerten. Tut er das? Allein dass aufgrund seiner Doppelrolle die Möglichkeit dazu besteht, zeigt, dass hier ein Problem vorliegt.

Rechtlich ist die Sache kompliziert: Ein Gesetz muss präzisiere sein, es muss zum Beispiel ausführen, was nicht geht. Das kann schwer erschöpfend für alle möglichen Konstellationen gemacht werden. Wichtig ist daher auch, welches Ziel verfolgt wird. Das hat der Verfassungsgerichtshofes zur Unvereinbarkeit in Bezug auf Stiftungsräte in einem Erkenntnis vor eineinhalb Jahren herausgearbeitet.

Zitat: „Die Unabhängigkeit der Mitglieder des Stiftungsrates gegenüber (staatlichem) Einfluss, insbesondere durch die sie bestellenden staatlichen Organe bzw. zur Einbringung entsprechender Vorschläge berechtigten politischen Parteien, sichern des Weiteren die Unvereinbarkeitsbestimmungen (…), die (…) vor allem im Blick haben, Personen in einem Naheverhältnis zu den vorschlagsberechtigten politischen Parteien oder der bestellenden Bundesregierung von der Tätigkeit als Stiftungsrat auszuschließen.“

Eine Partei, die das ernst nimmt, lässt „ihren“ Stiftungsrat nicht für sich an Regierungsverhandlungen teilnehmen. Aber was kümmert das die FPÖ von Kickl? Nichts.

dieSubstanz.at ist ausschließlich mit Ihrer Unterstützung möglich. Unterstützen Sie dieSubstanz.at gerade jetzt >

dieSubstanz.at – als Newsletter, regelmäßig, gratis

* erforderliche Angabe


Könnte Sie auch interessieren

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner