Rosenkranz‘ Amtsmissbrauch

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ANALYSE. Der FPÖ-Politiker betreibt als Nationalratspräsident Geschichtsverfälschung, die vor allem auch für die Gegenwart relevant ist.

Seit 15 Jahren finde das Symposium zu Ehren von Franz Dinghofer im Parlament statt – und erst jetzt, da er Präsident des Hauses sei, „ist das ein Problem“, so Walter Rosenkranz (FPÖ). Tatsächlich? Erstens: Nicht das Parlament hat das Symposium schon bisher veranstaltet, sondern der jeweilige, in der Regel dritte Nationalratspräsident zeichnete dafür verantwortlich. Genauer: der freiheitliche. Das ist ein riesengroßer Unterschied.

Zweitens: Der freiheitliche Nationalratspräsident ist jetzt der erste. Auch das ist ein Unterschied: Als erster Präsident hätte Rosenkranz für das ganze Haus mit all seinen Fraktionen zu stehen und es nach außen zu vertreten. Sprich: Eine Veranstaltung von ihm sollte genau keine freiheitliche sein, wie es das Dinghofer-Symposium ist.

Rosenkranz betreibt in diesem Sinne Amtsmissbrauch. Das Dinghofer-Symposium wird durch ihn auf eine neue Ebene gehoben, es wirkt staatlich organisiert.

Viertens: Eigenen Angaben zufolge ist es ihm wichtig, dass bei den „Schattenseiten“, die Dinghofer gehabt habe, „auch die guten Seiten gesehen werden“. Als würden für ihn und seinesgleichen „Schattenseiten“ eine Rolle spielen.

Schon zum ersten Symposium, das 2010 stattgefunden hat, ist auf Wikipedia vermerkt: „Die Redebeiträge zeichneten ein geschlossen positives Bild Dinghofers und blendeten seine antisemitischen Äußerungen sowie seine spätere NSDAP-Mitgliedschaft vollständig aus.“

Fünftens: Walter Rosenkranz und seinesgleichen sind bemüht, Dinghofer als „Baumeister der Republik“ darzustellen. Es geht um Geschichtsverfälschung. Dabei hatten sie sogar einmal einen großen Helfer: In türkis-blauer Zeit gab sich der ORF Anfang 2019 für eine Dokumentation unter diesem irreführenden Titel her – eine Anpassung an die damaligen politischen Verhältnisse im Land unter Generaldirektor Alexander Wrabetz.

Dinghofer war 1918 neben dem Christlichsozialen Jodok Fink und dem Sozialdemokraten Karl Seitz gleichberechtigter Präsident der Provisorischen Nationalversammlung für Deutschösterreich. Als Vorsitzender durfte er am 12. November, von Seitz begleitet, vor dem Parlament einen einstimmigen Beschluss der Versammlung verkünden: „Deutschösterreich ist eine Republik!“

Sechstens: Rosenkranz tut nun so, als hätten damit Grund- und Freiheitsrechte Einzug gehalten in Österreich, als sei das Dinghofers Verdienst gewesen. Was für eine Irreführung. Natürlich: Das Ende der Monarchie und der Beginn der Republik stellte eine Zäsur dar. Allein aber zu unterschlagen, dass das noch heute geltende Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Bürgerinnen und Bürger erst da fixiert wurde, ist vollkommen daneben. Das war 1867 der Fall.

Siebtens: Rosenkranz versucht, eine Brücke zu schlagen. Mit Dinghofer soll ein vorgeblicher Kampf des dritten Lagers für Grund- und Freiheitsrechte legitimiert werden. Das verrät auch der Titel des Symposiums vom 11. November 2025: „Zensur und Ideologisierung – die Freiheit in Gefahr!“

Mit einer solchen Erzählung ist schon beim Symposium vor zwei Jahren ein Medienpreis verliehen worden. Nein, eben keinem journalistischen Medium, das dem Ehrenkodex der Österreichischen Presse gerecht wird und eine wichtige Rolle spielt für das Funktionieren der liberalen Demokratie, die unter anderem auch der Vielfalt der Gesellschaft entspricht und eben nicht von einem Volkswillen oder gar einem Volkskörper ausgeht, wie es Herbert Kickl tut. Sondern „Unzensuriert“, das als sogenanntes Alternativmedium weit rechts im Sinne der FPÖ agitiert und unter anderem Verschwörungstheorien verbreitet. Das, so FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker in seiner damaligen Laudatio, „Mainstream-Medien das Fürchten“ lehre.

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