ANALYSE. Der Umgang mit syrischen Staatsangehörigen zeigt: Die ÖVP ist nicht reif für eine Alternative zu Blau-Türkis.
Wir haben es wieder einmal weltweit in die Schlagzeilen gebracht. Der „Economist“ berichtet in seinem morgendlichen Newsletter, wie europäische Staaten auf den Sturz von Baschar al-Assad reagieren und schreibt: „Austria announced plans to deport Syrian refugees.”
Die ÖVP ist bemüht, Freiheitlichen möglichst keinen Platz zu lassen: In der Sprache nicht ganz so radikal, gibt sie sich ähnlich hart in der Sache und schafft in Teilen der Bevölkerung die Erwartungshaltung, dass jetzt alle syrischen Staatsangehörigen, die in den vergangenen zehn Jahren nach Österreich gekommen sind, in das Land zurückgebracht werden, in dem sie oder zumindest ihre Eltern geboren sind.
Die Gratiszeitung „Heute“ zitiert ÖVP-Innenminister Gerhard Karner mit den Worten, er sei ÖVP-Kanzler Karl Nehammer „sehr dankbar, dass er als erster Regierungschef in ganz Europa die Asylverfahren (für Syrerinnen und Syrer) gestoppt“ habe: Was für eine absurde Aussage: Nehammer ist nicht „Volkskanzler“, er kann gar nichts anschaffen, Karner trägt die Verantwortung. Das gesteht er in weiterer Folge eh auch ein bisschen ein: Er will, wie er betont, „ein geordnetes Rückführungs- und Abschiebeprogramm“ für die Menschen aus Syrien vorbereiten. „Eure Heimat braucht euch jetzt“, würde Kickl sagen. Zwischen den Zeilen heißt es: „Wir wollen euch hier keinen Tag mehr länger haben.“ Hier wird unverhohlen fremdenfeindlich agiert.
Nehammer selbst behauptet, Asyl sei „bewusst als Schutz auf Zeit gedacht“. Eine weitere absurde Botschaft. Richtig ist sie nur insofern, als es seit 2016 eine Regelung gibt, wonach Asylberechtigte zunächst ein befristetes Aufenthaltsrecht für die Dauer von drei Jahren erhalten. Kommt es in dieser Zeit in ihrem Herkunftsland zu keiner wesentlichen, dauerhaften Verbesserung der Lage, geht das befristete in ein unbefristetes Aufenthaltsrecht über.*
Darüber täuscht Karl Nehammer hinweg. Gezielt. Wie er aus dieser Nummer herauskommt, ist ein Rätsel. Asylgewährungen der vergangenen Jahre können nur unter den erwähnten Umständen quasi rückgängig gemacht werden. Alles Übrige wäre Unrecht sowie unvernünftig. Entsprechende Ideen zeigen daher, wie Nehammer, der sich in den letzten Monaten gerne als Vertreter einer gemäßigten Mitte ausgegeben hat, in Wirklichkeit ein Vertreter einer verrohten Bürgerlichkeit geblieben ist: Für die Integration von tausenden Syrerinnen und Syrern ist sehr viel Steuergeld ausgegeben worden. Das war letzten Endes auch eine Investition in die eigene Zukunft. Alles egal? Offenbar.
Es ist schwer vorstellbar, wie da eine türkis-rot-pinke Koalition zustande kommen soll. Den Neos und in Teilen zumindest der SPÖ entspricht das nicht. Beide sind längst zu einer restriktiveren Migrationspolitik übergegangen, so sehr wie die ÖVP „freiheitlich“ geworden sind sie jedoch nicht. Genauer: Ihnen geht es nicht darum, öffentlich zu zeigen, dass Flüchtlinge ausschließlich als Übel wahrgenommen werden, das man bei erstbester Gelegenheit abschüttelt. Einen solchen Niedergang haben sie sich erspart.
* Korrektur: Im Übrigen gibt es eine Regelung, wonach innerhalb von fünf Jahren ein Asyl-Aberkennungsverfahren möglich ist, wenn der Fluchtgrund weggefallen ist. Nach fünf Jahren ist laut „Asylkoordination Österreich“ auch das nicht mehr möglich.