Rendi-Wagner hat’s verpasst

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ANALYSE. Mehr als zwei Chancen, große Veränderungen herbeizuführen, bekommt keine Parteichefin, kein Parteichef.

Die Art und Weise, wie Sebastian Kurz seine Führungsrolle in der ÖVP auslegt, muss man nicht begrüßen. Weitreichende Durchgriffsrechte bei Listenerstellungen kann man kritisieren. Entscheidend ist hier jedoch, wann sich der 33-Jährige all die Befugnisse holte: Erstens zu seinem Amtsantritt und zweitens zu einem Zeitpunkt, als in der Volkspartei größtmögliche Hoffnungslosigkeit herrschte. Da waren die Bünde- und Landesobleute froh, dass hier einer bereit ist, den Laden zu übernehmen; und er, Kurz, nützte die Gunst der Stunde, um das voll zu seinen Gunsten auszuspielen.

Die Geschichte deutet schon an, dass sich für einen Parteichef oder eine Parteichefin ganz besondere Gelegenheiten ergeben, wirklich mächtig zu sein und große Veränderungen durchzusetzen: Bei seinem Amtsantritt und nach einem einschneidenden Wahlergebnis.  Wobei es sich um einen Sieg genauso handeln kann, wie um eine Niederlage, wie ein praktisches Beispiel gleich anschließend verdeutlicht.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat ihre Chancen, die SPÖ neu aufzustellen, ungenützt gelassen. Mehr wird sie kaum noch bekommen. Womit ihr Schicksal auch schon vorprogrammiert ist.

Der Amtsantritt von Rendi-Wagner verlief unspektakulär. Sie hat sich bemüht, einen frischen Wind in die Partei zu bringen. Mit Genossen wie dem Tiroler Georg Dornauer oder dem Burgenländer Hans Peter Doskozil ist das jedoch alles andere als einfach. Die beiden entsprechen politisch ganz offensichtlich nicht dem, was sie sich vorstellt. Im Gegenteil. Umso verhängnisvoller ist für sie, dass sie den beiden ihre Rolle im parteiinternen Gefüge ließ. Und dass sie ihrem (scheidenden) Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda zuletzt auch noch den Michael-Ludwig-Vertrauten Christian Deutsch als Wahlkampfmanager voranstellen musste. Das machte sie zur Getriebenen.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Rendi-Wagners Job ist schier unlösbar. Umso verhängnisvoller für sie ist aber, dass sie es sich selbst schwer gemacht hat. Inhaltliche und strategische Akzente sind im ersten Jahr ihrer Vorsitzführung nicht ausgegangen von ihr. Es entstand eher der Eindruck, dass sie sich zunächst einmal an ihre Rollen – Parteichefin, Oppositionspolitikern, Kanzlerkandidatin – herantasten möchte. Die Nationalratswahl kam denn auch eindeutig zu früh für sie.

Umso bemerkenswerter, dass sie ihre zweite und möglicherweise letzte Chance verpasst hat, Leadership zu zeigen. Und zwar am Wahlabend. Da wäre ein Fenster offen gewesen. Es ist ja eindeutig so gewesen, dass (fast) jeder mit einer SPÖ-Niederlage gerechnet hatte; dass (fast) niemand diese Rendi-Wagner allein zuschreiben würde; und dass daher kaum jemand ihre Ablöse im Auge hatte.

Also hätte sie in Erwartung dessen, was gekommen ist, eine große Erneuerung der SPÖ angehen können: Wie im Falle der ÖVP im Frühjahr 2017 muss in der Partei jeder froh sein über eine Persönlichkeit wie sie, die bereit ist, den Vorsitz zu führen; dafür wird sich zurzeit kein Mann und keine andere Frau finden. Doch Rendi-Wagner hat dieses „Window of opportunity“ gleich zweimal selbst vertan: Zunächst, indem sie sagte, dass die Richtung stimme und nicht, dass sie nach diesem Wahlergebnis eine Umbau der Partei in die Wege leiten werde; und dann, indem sie Deutsch sogleich zum Bundesgeschäftsführer ernannte. Beides passt irgendwie zusammen: Es signalisiert, dass es einfach weitergehen soll wie bisher. Und genau das muss natürlich den Unmut provozieren, der sich nun über Leute wie Julia Herr und Max Lercher entwickelt.

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