ANALYSE. Besonders Mikl-Leitner muss als mächtigste Vertreterin der Partei wissen, was da läuft. Umso bemerkenswerter ihr Verhalten: Sie hat die Bundespartei und ihren Obmann ganz offensichtlich aufgegeben.*
Die Chuzpe von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) muss man erst einmal zusammenbringen: Da kracht es wieder einmal in der Koalition – und er hat nichts damit zu tun. „Ich konzentriere mich auf meine Arbeit“, lässt er wissen – und setzt seine Tour durch Vorarlberg fort. Für den Ministerrat in Wien hatte er sich entschuldigen lassen. Ganz offensichtlich wichtigeres stand da im fernen Westen auf dem Programm: Unter anderem eine Parteiveranstaltung mit Landeshauptmann Markus Wallner im Feldkircher Montforthaus.
Wen wundert’s, dass sich Bundesparteichef, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner unter solchem Umständen so schwer tut, nicht nur die Koalition, sondern vor allem auch seine ÖVP zusammenzuhalten? Kurz hat sich längst abgesetzt, um seinen eigenen Weg zu gehen. Ganz zu schweigen von Innenminister Wolfgang Sobotka, der nicht zuletzt auch Mitterlehner einen Prügel nach dem anderen in den Weg schmeißt.
Und dann wäre da noch die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Ihr Verhalten gibt zunächst Rätsel auf. Zumal die Machtverhältnisse in der Volkspartei ja so ausschauen: Die Landesorganisationen halten sich einen Bundesobmann; er ist irgendwie nur ein Statthalter. Und unter den Landesorganisationen gibt es eigentlich nur noch eine wirklich große; die niederösterreichische nämlich.
Würde Mikl-Leitner noch ein bisschen an die Bundes-ÖVP glauben, würde sie die dortigen Verhältnisse ordnen.
Umso mehr wäre es die Pflicht von Mikl-Leitner, einzuschreiten: Würde sie zumindest noch ein bisschen an die Bundes-ÖVP glauben, würde sie die dortigen Verhältnisse ordnen. Mitterlehner den Rücken stärken oder ihn entlassen*; Sobotka nach Hause schicken (lassen) und so weiter und so fort. Indem sie nichts davon tut, macht sie – wohl unfreiwillig – deutlich, dass sie die Bundes-ÖVP aufgegeben hat.
Was kommt, ist nur noch ein Nachspann: Entweder reibt sie sich mit Mitterlehner ganz auf. Oder sie übergibt an Sebastian Kurz. Doch der wird sie natürlich nicht so übernehmen, wie sie derzeit organisiert ist. Statthalter spielen? Sicher nicht! Wenn, dann wird er freie Hand bekommen und eine ganz auf ihn maßgeschneiderte „Bewegung“ aus der Partei auf Bundesebene werden. Womit ihre Tage gezählt wären.
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*) Dieser Text entstand unmittelbar vor der „persönlichen Erklärung“, in der Reinhold Mitterlehner seinen Rücktritt verkündete.