Rechtsruck? Vorarlberg ist anders

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ANALYSE. Wo Mitte Oktober eine Landtagswahl stattfindet, bleibt die FPÖ meilenweit unter ihren bisherigen Spitzenwerten. Glück im Unglück für die ÖVP von Markus Wallner.

Der 13. Oktober 1996, ein Sonntag, ist unvergessen. Nachdem das Ergebnis der damaligen Europawahl vorgelegen war, sprach Ute Sassadeck, die Lehrerin des Autors bei den Vorarlberger Nachrichten, die Zäsur an: Vorbei waren die Zeiten, in denen beide Großparteien (zumindest zugleich) ebensolche gewesen waren. Die FPÖ wurde zwar nicht erste wie jetzt, erreichte mit 27,5 Prozent aber ein noch besseres Ergebnis als jetzt (25,4 Prozent). ÖVP und SPÖ landeten mit 29,7 bzw. 29,2 Prozent auf einem ähnlichen Niveau wie sie.

Das jüngste Eurowahl-Ergebnis erinnert daran. Das ist aber noch nicht der Grund dafür, dass hier davon die Rede ist. Das ist kein Zeitgeschichte-Blog. Der Grund dafür ist, dass es nach Bundesländern und Regionen extreme Veränderungen gegeben hat. Damals war die FPÖ Jörg Haiders zum Beispiel in Vorarlberg sehr stark. Es war – nach Kärnten – eine Hochburg von ihr. Beim Urnengang 1996 durfte sie sich hier über ganze 33,1 Prozent freuen.

Am 9. Juni 2024 landete sie hier trotz deutlicher Zugewinne gegenüber der vorhergehenden Europawahl „nur“ bei 22,6 Prozent. Das waren um 10,5 Prozentpunkte weniger als vor 28 Jahren. Ähnliches würde sich auch für Tirol erzählen lassen. In Vorarlberg findet Mitte Oktober jedoch eine Landtagswahl statt und daher bleiben wir im äußersten Westen.

Er steht für eine Phänomen: Wo Österreich pulsiert und wächst, wo es einen höheren Urbanisierungsgrad gibt, dort ist dieser Rechtsruck weniger massiv, der im Großen und Ganzen läuft. (Siehe auch jüngste Gemeinderatswahlen in Salzburg und Innsbruck.)

Im EU-Wahl-Vergleich deutlich stärker als vor 28 Jahren sind in Vorarlberg noch immer die Grünen mit einem Plus von 6,8 Prozentpunkten; und Neos, das hier als Nachfolgepartei des Liberalen Forums ausgewiesen ist, was es zum Teil ja auch ist, mit einem Plus von 10,6 Prozent. Beide zusammen halten gut ein Drittel der Stimmen (31,2 Prozent).

Die SPÖ ist vor dem Arlberg schon in den 1990er Jahren mit keinen 14 Prozent recht klein gewesen und ist es im Wesentlichen auch geblieben. Sie hat über den gesamten Zeitraum betrachtet nicht mehr verloren.

Gegenüber 1996 massiv abgebaut hat in Vorarlberg die ÖVP bei der Europawahl. Damals hielt sie noch über 36 Prozent. Jetzt ist sie – nach einem „Kurz’schen Zwischenhoch – bei 26,5 Prozent gelandet.

Trotzdem hat sie alles in allem Glück im Unglück im Hinblick auf die Landtagswahl am 15. Oktober: Sie wird dort mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit stark verlieren. Die 43,5 Prozent, die sie unter Führung von Landeshauptmann Markus Wallner vor fünf Jahren erreicht hat, sind aus heutiger Sicht nicht zu halten. Auch ihr setzen Krisen zu (inkl. eigener, also der Wirtschaftsbund-Inseratenaffäre), auch sie ist mittlerweile mit einer – sagen wir – viel weniger schwachen FPÖ im Land konfrontiert.

Im Unterschied zur steirischen Volkspartei kann sie Platz eins de facto aber nicht verlieren, weil das Potenzial der FPÖ in Vorarlberg beschränkter (geworden) ist. Und weil Neos und Grüne dort zwar relativ stark, aber nicht so stark geworden sind, das sie in absehbarer Zeit zu ihr aufschließen können.

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