ANALYSE. Herbert Kickl bezeichnet sich selbst als „Volkskanzler“ und Babler als „linke Zecke“. In Deutschland hätte er damit ein größeres Problem. Oder: Was in Österreich fehlt.
Die AfD ist vom deutschen Bundesamt für Verfassungsschutz gerade als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft worden. Fast zeitgleich hat FPÖ-Chef Herbert Kickl hierzulande Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) als „linke Zecke“ bezeichnet. Auf Wikipedia heißt es dazu, dass es sich um einen Begriff handle, der in rechtsextremem Umfeld in Deutschland entstanden und dort verwendet werde, um Andersdenkende abzuwerten und zu beleidigen.
Und weiter: „In der Ideologie des heutigen Rechtsextremismus gehören sogenannte Zecken zu den Hauptfeindbildern und gelten als „Undeutsche in Ideologie und Kultur“. Die Abwertung von Menschen als Zecken, also Parasiten, knüpft an die in der Sprache des Nationalsozialismus gebräuchlichen Tiermetaphern an.“
Am 1. Mai wiederum hat sich Kickl selbst einmal mehr als „Volkskanzler“ bezeichnet. Geschichtlich wurde dieser Begriff nicht nur, aber auch von Nationalsozialisten verwendet; und zwar im Zusammenhang mit Adolf Hitler. Abgesehen davon bringt der Begriff in dem Sinne, in dem er von Kickl eingesetzt wird, eine zutiefst demokratiefeindliche Einstellung zum Ausdruck: Er maßt sich an, für ein Volk zu agieren. Das „Volk“ sind in Wirklichkeit jedoch viele Menschen mit unterschiedlichen Vorstellungen und Interessen, was er ganz offensichtlich nicht respektiert.
Im Übrigen spricht der FPÖ-Chef immer wieder gerne von „Remigration“. Beim „Bayerischen Rundfunk“ ist dazu unter anderem vermerkt: „2023 wurde „Remigration“ (in Deutschland; Anm.) zum „Unwort des Jahres“ gewählt. Die damalige Begründung der Jury: „Das Wort ist in der Identitären Bewegung, in rechten Parteien sowie weiteren rechten bis rechtsextremen Gruppierungen zu einem Euphemismus für die Forderung nach Zwangsausweisung bis hin zu Massendeportationen von Menschen mit Migrationsgeschichte geworden.“
Und jetzt? Es ist weniger denn je eine akademische Debatte, was Herbert Kickl ist. Das verdeutlicht ein Blog-Beitrag des von ihm geschätzten Senders „AUF1“. Dem Ende des Zweiten Weltkriegs widmet man sich dort, indem man von einem „vertuschten Völkermord an den Deutschen“ schreibt und schließlich behauptet, dass aktuell ein Krieg gegen Russland vorbereitet werde. Wie es Kickl und Co. längst behaupten, indem sie nicht Wladimir Putin, sondern der EU, die sich diesem aufgrund seines Angriffskrieges gegen die Ukraine in den Weg stellt, „Kriegstreiberei“ unterstellen.
In Deutschland wird die AfD klar eingeordnet, in Österreich ein schlampiger Umgang mit der FPÖ gepflegt. Als Vorwand gilt, dass man eine demokratische Partei nicht ausgrenzen dürfe. Dabei geht es nicht darum, sich gegen ihre Wähler zu stellen, sondern gegen ihren Kurs, der eben nicht nur rechtsextreme und demokratiefeindliche Züge aufweist, sondern auch Putin-freundlich ist.
Kann man damit koalieren? Für die ÖVP bleibt das nicht ausgeschlossen, wie Christian Stocker, der Kanzler und ihr Bundesobmann, gerade in einem Interview bekräftigt hat. Begründung: „Eine Brandmauer führt nicht notwendigerweise dazu, dass der Brand gelöscht wird oder sich nicht noch weiter ausbreitet.“ Gegenthese: Das mag schon sein. Dass die FPÖ groß geworden ist, hat aber ausschließlich damit zu tun, dass Parteien wie die ÖVP das Vertrauen so vieler Wähler verloren haben; dass der ÖVP etwa nur noch gut 20 Prozent zutrauen, eine Politik für eine bessere Zukunft zu machen.