Ohne Rauch

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ANALYSE. Die Grünen lassen ihren besten Mann ziehen. Als ob sie es sich leisten könnten.

Vor wenigen Tagen ist hier ein Text unter dem Titel „Nehammer allein zu Haus“ erschienen. Es ging darum, dass der ÖVP-Chef und Kanzler mit der Ansage in die Nationalratswahl geht, Österreich weiter führen zu wollen, dass er aber Wirtschaftsminister Martin Kocher in die Nationalbank und Finanzminister Magnus Brunner nach Brüssel ziehen lässt. Sie zählen zu den wenigen Leuten, die er hat, die zumindest weitgehend unfallfrei agieren können; die sich von Susanne Raab, Gerhard Karner oder Klaudia Tanner weit, weit abheben.

Wie kann er da zulassen, dass sie nicht in seinem Team bleiben? Zumal er keinen Ersatz hat? Wir wirkt das? These: Es schwächt ihn, weil er quasi ein Kanzlerkandidat ohne Kabinett ist. Weil er ziemlich einsam wirkt und das bei seinen ohnehin schon bescheidenen Persönlichkeitswerten nur wenigen Leute signalisiert, dass es mit Nehammer in eine gute Zukunft gehe könnte.

Klar: Türkise Wahlkampfstrategie ist es, allein darauf zu setzen, dass Kickl von einer Masse abgelehnt wird. Und dass daher viele die ÖVP mit Nehammer wählen könnten, nur um ein größeres Übel zu verhindern. Trotzdem kann man sich wundern.

Ähnliches gibt es interessanterweise bei den Grünen: Werner Kogler wirkt müde. Beim ORF-Sommergespräch hat er das nicht verbergen können. Große innerparteiliche Zukunftshoffnung hat sich neben ihm nicht entwicklen können in den vergangenen Jahren, wenn man von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler absieht.

Wenn schon, wäre sie für Grünen eine passende Spitzenkandidatin gewesen: Gerade weil sie polarisiert, von vielen klar abgelehnt, aber auch von nicht wenigen ähnlich stark unterstützt wird. Gerade weil sie für das Kernthema der Partei steht.

Fast noch seltsamer ist, dass Kogler und Co. Sozialminister Johannes Rauch in Pension ziehen lassen. Dabei hat er in den vergangenen Wochen ziemlich deutlich gesagt, dass er sich unter den gegebenen Umständen verpflichtet fühlt, sich weiter zu engagieren. Warum holen sie ihn dann nicht auf die Bühne? Der Mann hat die besten Vertrauenswerte nach Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ). Obwohl oder gerade weil er im Unterschied zu diesen beiden permanent Kante zeigt, wie man so sagt: 45 Prozent vertrauen ihm laut Befragungsergebnissen zum APA/OGM-Vertrauensindex, 40 Prozent misstrauen ihm. Das ergibt einen positiven Saldo. An dieses Niveau kommt kein Wirtschaftsminister Kocher, keine Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und auch kein Finanzminister Brunner heran.

Im Sinne einer Grünen-Zielgruppe hätte Johannes Rauch in diesem Wahlkampf ein Thema wirkungsvoll abdecken können, das für die Partei wichtig ist. Was heißt ein Thema? Wenn man an die Mindestsicherungsdebatte denkt sowie an die 4600 Euro für eine syrische Großfamilie und das, was FPÖ-Chef Herbert Kickl jetzt daraus macht (keine Mindestsicherung mehr für Nicht-Österreicher:innen), sieht man, dass es hier um Soziales, Integration und entfernt Migration geht; um Themen, bei denen Gegenpositionen zu gängigem Rechtspopulismus gefragt wären.

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