Ohne Auftrag

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ANALYSE. Der Bundespräsident lässt ÖVP und SPÖ machen. Erkennen sie, was Van der Bellen will, bilden sie „Schwarz-Rot plus“.

Der Bundespräsident hat sich Debatten darüber erspart, ob er nach dem Chef der zweitstärksten Partei (damals Karl Nehammer) und dem Chef der stärksten Partei (Herbert Kickl) dem Chef der drittstärksten Partei den Regierungsbildungsauftrag erteilen müsste; also Andreas Babler (SPÖ): Er lässt Nehammer-Nachfolger Christian Stocker (ÖVP) und Babler einfach machen. Sprich, miteinander verhandeln. Noch diese Woche könnten sie einen „entscheidenden Schritt“ zusammenbringen, berichtet die APA unter Berufung auf „Verhandlerkreise“. Die Rede ist von einer Einigung bzw. der Fixierung von Schwarz-Rot.

In Wirklichkeit wird es Van der Bellen nicht darum gegangen sein, eine Diskussion zu vermeiden. Viel eher schwingt wohl mit, dass eine schwarz-rote Koalition nur über ein Mandat Überhang verfügt: Allein das lässt es vernünftig, ja zwingend erscheinen, dass sich mit Ausnahme der FPÖ, die sich aus dem Spiel genommen hat und einfach nur Neuwahlen möchte, alle Parteien zusammentun, um eine neue Form des Regierens zu ermöglichen.

Es muss nur ein schwarzer oder roter Abgeordneter aus gesundheitlichen Gründen fehlen bei einer Nationalratssitzung; es muss nur, sagen wir, der burgenländische Hans Peter Doskozil-Vertraute und Mandatar Maximilian Köllner beschließen, dass ihm die Interessen seines Landesparteivorsitzenden wichtiger sind als die des Bundes, schon hat Schwarz-Rot keine Mehrheit mehr.

Da bekommt die Mehrheit des Nationalrats, mit der sich ein Bundespräsident bei einer Regierungsbildung letzten Endes immer arrangieren muss, eine ganz andere Bedeutung. Sie ist bei Schwarz-Rot allein ungewisser denn je.

Was tun? Option eins: ÖVP und SPÖ lassen es einfach darauf ankommen. Und zwar im Wissen, dass sich Neos und/oder Grüne hüten werden, es zu Neuwahlen kommen zu lassen; jedenfalls, solange die Freiheitlichen weiter zulegen und über 30 Prozent erreichen könnten.

Option zwei: ÖVP und SPÖ lassen es nicht darauf ankommen. Und sie bilden sich auch nicht ein, vom Bundespräsidenten einen (gewöhnlichen) Auftrag erhalten zu haben. Sie gehen stattdessen lieber davon aus, dass er sich erwartet, dass sie mit Neos und Grünen Zweckbündnisse bilden. Nicht nur bei Verfassungsmaterien, bei denen ihnen nichts anderes übrig bleiben wird als das zu tun.

Bei Verfassungsmaterien braucht es die vermeintlich Kleinen zwingend. Und ebensolche werden anzugehen sein. Zum Beispiel, weil Institutionen, die wichtig sind für Demokratie und Rechtsstaat, sturmfest gemacht werden müssen, also verfassungsrechtlich abzusichern sind. Medienfreiheit und die Pflicht des Staates etwa, Rahmenbedingungen für das Fortbestehen von journalistischer Qualität und Vielfalt zu schaffen und zu erhalten.

Hier ist es sogar gut, wenn ÖVP und SPÖ Neos und Grüne brauchen. Diese können so für mehr und Besseres sorgen: Grüne haben schon an der Seite der ÖVP vor zwei, drei Jahren wenigstens mehr Transparenz bei Inseraten erreicht. Neuerdings muss immerhin alles offengelegt werden, müssen größere Vergaben begründet werden. Ohne Grüne wäre es nicht dazu gekommen. Ein kleiner, aber relevanter Punkt. Allein durch sie ist das möglich geworden.

Künftig könnten gerade auch die Neos eine solche Rolle spielen. Mit dem Ergebnis, dass der Kampf gegen Inseratenkorruption verstärkt wird, sodass sie von keiner Regierung mehr betrieben werden kann; auch von keiner blauen, die diese Korruption dafür einsetzen würde, die Orbanisierung durchzuführen, die die FPÖ unter anderem für den Medienbereich beabsichtigt.

Voraussetzung dafür ist das Gegenteil einer klassischen Koalition. Notwendig ist so etwas wie „Schwarz-Rot plus“; mit der Idee, dass sich ÖVP und SPÖ auf das verständigen, was es für eine funktionsfähige Regierung braucht (zum Beispiel eine Ressortverteilung); und darauf, wie sie gemeinsam, aber unter Einbindung von Neos und oder Grünen, inhaltlichen Herausforderungen gerecht werden könnten. Einmal Schwarz-Rot-Pink, einmal Schwarz-Rot-Grün sozusagen. Und Schwarz-Rot-Pink-Grün bei Verfassungsmaterien.

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