ANALYSE. Die Volkspartei hat ihren Anspruch, haushalten zu können, verspielt. Zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt für sie.
„Eher lasse ich meinen Hund auf meine Wurst aufpassen als die ÖVP auf das Geld der Steuerzahler.“ Sprach der damalige Finanzminister Rudolf Edlinger, ein Sozialdemokrat, vor 25 Jahren. Bald darauf war er sein Amt los, musste zwar keinem Schwarzen, aber einem Blauen (Karl-Heinz Grasser) weichen.
Noch-Finanzminister Magnus Brunner, ein ÖVP-Politiker, hat gerade unfreiwillig Erinnerungen an die Aussage geweckt. Nach einer längeren Zeit, in der sich er und Parteifreunde von ihm um das Geld der Steuerzahler gekümmert haben, von Wilhelm Molterer über Maria Fekter bis Gernot Blümel, ist klar: Gut drauf schauen tun sie (auch) nicht.
Dies ist nicht die Stelle, zu bewerten, ob sozialdemokratische oder schwarze bzw. türkise Finanzminister per se besser sind. Zumal das von vielem abhängig ist. Der Punkt ist: Unter Wolfgang Schüssel hat es die ÖVP durch Druck auf Sparpakete und dergleichen geschafft, den Eindruck zu erwecken, dass Budgetpolitik ihre Kernkompetenz sei. Schüssel schien das auch in der Sache wirklich wichtig zu sein. Er setzte durch, dass der Zugang der Schwäbischen Hausfrau zu einem schier allgemein anerkannten wurde: Man darf nicht mehr ausgeben, als man einnimmt.
Reden und Tun gingen in den vergangenen Jahren aber schon vor Sebastian Kurz, bei dem schließlich nur noch Reden etwas zählte, weit auseinander. Immer wieder wurde eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote Richtung 40 Prozent angekündigt. Nie ist eine solche umgesetzt worden. Immer wieder wurde eine Kürzung von Förderungen versprochen, damit sich die nötigen Spielräume auftun. Nie ist es dazu gekommen. Andere Dinge, die Voraussetzung für eine spürbare Steuersenkung wären, hat man sowieso sein lassen. Eine Pensionsreform beispielsweise. Viel zu unpopulär.
Interessant ist vielleicht, dass Brunner da mitspielt. Ein solider Kerl, noch dazu Alemanne, denen nachgesagt wird, korrekt wirtschaften zu können. These: Brunner an sich ist kein Widersprich dazu. Er fühlt sich in erster Linie jedoch seiner Partei verpflichtet. Das hat Vorrang für ihn.
Vor der Wahl galt: „Kein Sparpaket nötig, Wirtschaftswachstum wird’s richten“ (Karl Nehammer). Brunner spielte mit. Zeigte sich vor dem Sommer verwundert über Experten wie Christoph Badelt, die auf ein höheres Budgetdefizit hinwiesen. Ließ sich nicht einmal ein auf alarmierende Botschaften wie jene von WIFO-Chef Gabriel Felbermayr, dass Sparen allein nicht mehr reiche, dass man wohl auch Steuern wie die MÖSt. erhöhen müsse.
Am Donnerstag nach der Nationalratswahl gestand das Finanzministerium nun als mit großem Abstand letzte Institution neben Fiskalrat, Nationalbank, WIFO und IHS, dass man auf mehr als drei Prozent Defizit kommt. Laut WIFO werden es bis zu vier, als rund 20 Milliarden Euro Neuverschuldung in einem Jahr.
Das erinnert stark an die „Patientenmilliarde“: Auch dort hatten alle relevanten Nicht-Regierungsstellen von vornherein erklärt, dass das vollkommen unrealistisch ist. Einziger Unterschied: Die zuständige Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) gestand erste fünf Jahre nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt, dass es sich eh nur um einen Marketing-Schmäh gehandelt habe.
Nicht nur, dass im Gegensatz zu den Ankündigungen von Karl Nehammer ein Sparpaket notwendig werden wird: Es wird auch kein Wirtschaftswachstum irgendetwas richten. Rezession herrscht, im kommenden Jahr gibt es allenfalls ein kleines Wachstum.
Die ÖVP hat der Öffentlichkeit im Wahlkampf vorenthalten, wie’s wirklich steht und ihr stattdessen Märchen erzählt. Das ist Wählerbetrug. Zweitens: Damit einher ging auch, dass man sich den Problemen nicht stellte und sie nur noch größer geworden sind.
Die Partei hat damit schlechte Karten für den Koalitionspoker: Sie wird in der Regierung bleiben, hat hier jedoch eine Empfehlung abgegeben, ihr nach so vielen Jahren endlich das Finanzministerium zu entziehen. Ja, sie bittet geradezu darum. Freiheitliche auf der einen sowie Neos und Sozialdemokraten auf der anderen Seite wittern die Chance.