Ob Mellau oder Schoppernau

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ANALYSE. Auch in schwarzen bzw. türkisen Kernzonen legen Freiheitliche zu, sind zudem Neos und Grüne stark: Was in Vorarlberg anders ist. Ein Beitrag zur Landtagswahl am 13. Oktober.

In Vorarlberg gibt es keine größere Stadt mit 100.000 Einwohnern oder mehr, aber einen Ballungsraum, in dem eine Gemeinde in die andere übergeht und in dem eine Viertelmillion Menschen leben: das bevölkerungsmäßig wachsende Rheintal. Das ist eine Erklärung dafür, dass landesweite Wahlergebnisse zunehmend jenen größerer Städte ähneln. Drei Beispiele: Für die Volkspartei wird es immer schwieriger, eine solche im politikwissenschaftlichen Sinne zu sein.

Schier alleinige Führung war einmal. Auf der anderen Seite sind Freiheitliche stark, aber nicht ganz so stark wie bundesweit. Was damit zu tun hat, dass Wähler von der ÖVP nicht nur zu ihnen tendieren, sondern auch zu Neos und Grünen; die beiden sind hier zusammen stärker als bundesweit. Wie das zum Beispiel auch in der Millionenstadt Wien der Fall ist. Und wenn hier schon von Wien die Rede ist: Was dort in der jüngeren Vergangenheit meist die ÖVP war, ist im äußersten Westen die SPÖ; eine Kleinpartei.

Interessant ist, dass Phänomene, die mit Urbanisierung einhergehen, zunehmend in ganz Vorarlberg feststellbar sind. Stadt-Land-Unterschiede im Wahlverhalten sind überschaubar geworden. Naheliegende Erklärung: Viele Leute pendeln, niemand hält sich quasi ausschließlich in „seinem“ Ort auf.

In den Stadtregionen Bregenz-Dornbirn-Feldkirch (Rheintal) und Bludenz schnitten Freiheitliche, Neos und Grüne bei der jüngsten Nationalratswahl ähnlich stark ab wie in den anderen Teilen des Landes. Deutlicher waren die Stadt-Land-Unterschiede lediglich bei der ÖVP (in den ländlichen Regionen stärker) und bei der SPÖ (in den Stadtregionen stärker).

Bemerkenswert ist nun, dass die seit 1945 dominierende Volkspartei bei der Nationalratswahl auch im hinteren Bregenzerwald, der politisch ursprünglich zutiefst schwarz war, massive Verluste erlitten hat. Und zwar auf ein historisch niedriges Niveau. In Anlehnung an das Lied „Vo Mello bis ge Schoppornou“, das Anfang der 2010er Jahre u.a. auf Ö3 auf und ab gespielt wurde, seien die beiden dortigen Gemeinden herausgegriffen. Auch, weil es sich um größere unter den kleinen handelt.

In Mellau erreichte die ÖVP bei der Nationalratswahl 2002 ganze 73 Prozent. 2019 holte sie unter Sebastian Kurz nach einem Zwischentief 53 Prozent, musste sich nun aber mit 35 Prozent begnügen. Die Freiheitlichen kletterten umgekehrt auf 29 Prozent. Ein Niveau, das sie hier in etwa auch schon 1999 und 2017 erzielten.

Der ÖVP zu schaffen gemacht hat in der 1300-Einwohner-Gemeinde vor allem Neos mit 21 Prozent. Wofür es eine Erklärung gibt: Ihr landesweiter Spitzenkandidat Johannes Gasser kommt aus dem Ort. Insofern könnte man jetzt sagen, das sei ein schlechtes Beispiel.

Also von Mellau nach Schoppernau, um das zu entkräften: Hier ist die ÖVP nach 80 Prozent 1999 und 62 Prozent 2019 am 29. September 2024 auf 46 Prozent gelandet. Das ist noch immer beträchtlich. Die Partei ist jedoch abhängig davon, dass sie in solchen Gemeinden, die von Gewerbe, Torismus und Landwirtschaft leben, weit, weit vorne liegt. Wo denn sonst?

In Schoppernau, keine 1000 Einwohner, ist ihr das bei der Nationalratswahl zwar einigermaßen gelungen, ihr Vorsprung auf die zweitplatzierte Partei, die FPÖ, ist aber so wenig groß geworden wie noch nie. Die Freiheitlichen sind selbst hier, in einer schwarzen Kernzone sozusagen, auf 29 Prozent gekommen. Und Neos auf 13 Prozent. Und Grüne auf sieben Prozent – zumindest so viel also wie in der 105.000 Einwohner-Stadt Klagenfurt zum Beispiel.

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