ANALYSE. Der freiheitliche Präsidentschaftskandidat lässt Kern und Co. zittern. Sie können nicht einmal mehr mit einer Entlassung rechnen.
Im Frühjahr konnte man noch ziemlich genau sagen, was Norbert Hofer als Bundespräsident machen würde. Sicher, man werde sich wundern, was alle möglich sei, ließ er gewisse Unsicherheiten aufkommen. Eines aber war klar: Kaum im Amt, wird er die Regierung entlassen. Zuletzt hat er das relativiert, bekräftig und relativiert. In Tirol ließ er vor wenigen Tagen wissen, dass er Kanzler Christian Kern und Co. sagen werde, „entweder ihr kommt jetzt in die Gänge oder geht“. Von Armin Wolf in der ZiB2 darauf angesprochen, war ihm das fast peinlich: Gesagt habe er das am Martinstag; und das sei so etwas „wie der politische Aschermittwoch, wo man also schon noch ein bisserl akzentuierter auftritt“.
Man lernt: Was Hofer am Aschermittwoch und am Martinstag erklärt, ist nicht ernst zu nehmen. Oder doch? Natürlich ist es das; der Mann könnte ja Bundespräsident werden.
Wann schadet eine Regierung dem Land? Strache wird das anders sehen als Kern
Was das Entlassen der Regierung betrifft, so äußerte sich der Burgenländer in der ZiB2 derart vage, dass niemand mehr wissen kann, woran er bei ihm ist: „Wenn sich in den nächsten Monaten nichts mehr bewegt. Wenn weiter gestritten wird rund um die Mindestsicherung, rund um Reformmaßnahmen. Dann sage ich, bitte macht den Weg frei für Neuwahlen“, sagte er beispielsweise. Oder: „Ein Entlassungsgrund ist dann, wenn eine Regierung Maßnahmen setzt, die dem Land wirklich nachhaltig schaden.“ Das heißt alles und nichts.
Die Antwort ist vielmehr eine Frage des Standortes. Würde man etwa FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache fragen, ob die Regierung dem Land schade, wird er wohl antworten: „Und wie. Schauen Sie sich nur die Flüchtlingskrise an!“ Kanzler Kern und Vize Reinhold Mitterlehner (ÖVP) würden das wiederum empört zurückweisen. Und so weiter und so fort. Entscheidend wird also sein, wem Hofer, nach wie vor stellvertretender FPÖ-Obmann, mehr glaubt (bzw. glauben möchte).
Warum bildet dann nicht gleich der Rechnungshof die Regierung?
Dass er die Absicht hat, ein starker Bundespräsident zu werden, hat er im ZiB2-Interview jedenfalls in bemerkenswerter Deutlichkeit zu verstehen gegeben: Hofer will unmittelbar Einfluss auf Regierungsprogramme nehmen. Und zwar nicht nur dahingehend, dass er, wie einst Thomas Klestil, eine Präambel mit allgemeinen Erklärungen wünscht, sondern, was die konkrete Arbeitsweise betrifft: Die Regierung soll sich über „eine Schnittstelle“ mit dem Rechnungshof dazu verpflichten, dessen Reformempfehlungen umzusetzen. Was vernünftig klingt, hat einen Haken: Warum bildet dann nicht gleich der Rechnungshof die Regierung, quasi als Technokratenkabinett?
> Ein Transkript des ZiB2-Gesprächs lesen Sie auf neuwahl.com. Das Video ist bis Anfang Dezember auf der ORF-TVthek zu sehen.