ANALYSE. Das Wahlergebnis in den beiden „Extrembezirken“ bringt Stärken und Schwächen der Parteien zum Ausdruck.
So groß wie Stadt-Land-, so groß sind auch Unterschiede innerhalb einer Stadt wie Wien. Das zeigt zum Beispiel der „Lebenssituationsindex“, den das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO entwickelt hat. In Wien ist der Indexwert in Neubau (7. Bezirk) am höchsten, in Favoriten (10. Bezirk) am niedrigsten. Wobei – wie hier berichte – vor allem der Bildungsstand der Bevölkerung den Unterschied macht. In Neubau ist der Akademikeranteil mit über 50 Prozent drei Mal größer als in Favoriten. Damit gehen unter anderem auch bessere Chancen und höhere Einkommen einher.
Und ein anderes Wahlverhalten: Wie schon die ORF-Erhebung, die das Sozialforschungsinstitut „Foresight“ zur Wien-Wahl durchführte, ergeben hat, schneiden vor allem Grüne und Neos bei Akademikern ungleich besser ab, während Freiheitliche hier einen schweren Stand haben.
Das zeigt sich auch in den Bezirksergebnissen: Bei der Gemeinderatswahl sind die Grünen in Neubau mit 27,6 Prozent auf einen drei und die Neos mit 12,5 auf einen zwei Mal größeren Stimmenanteil gekommen als in Favoriten. Siehe Grafik. Die Freiheitlichen sind hingegen in Neubau einstellig geblieben und in Favoriten mit 27,5 Prozent auf einen drei Mal größeren Stimmenanteil gekommen.
Letztlich ist das für alle drei Parteien ein Problem: Sie kommen bei bestimmten Gruppen schwer bis gar nicht durch. Das begrenzt ihr Potenzial.
Fast noch interessanter ist das unterschiedliche Abschneiden von ÖVP und SPÖ in den beiden Bezirken. Genauer: Das fast-nicht-unterschiedliche Abschneiden. Wobei die Volkspartei sowohl in Neubau als auch in Favoriten mit 7,5 bzw. 8,1 Prozent schlechter abschnitt als stadtweit. Sie steht also da wie dort an.
Die SPÖ wiederum wurde sowohl in Neubau (mit 36,9 Prozent) als auch in Favoriten (mit 43 Prozent) klar stärkste Partei. Eine Erklärung dafür findet sich in den Ergebnissen der Wahltagsbefragung von „Foresight“: Die Partei von Bürgermeister Micheal Ludwig erreichte in allen Bildungsschichten einen ähnlich großen Stimmenanteil: 37 Prozent bei Wählern, die nicht über die Pflichtschule hinausgekommen sind, aber auch 37 Prozent bei Akademikern. Bei Lehrabsolventen, also Facharbeitern, kam sie sogar auf 40 Prozent und ließ damit die FPÖ auch in deren Kernzielgruppe hinter sich; diese erreichte hier 35 Prozent.
Das ist keine Selbstverständlichkeit. Im Gegenteil: In Vorarlberg etwa musste sich die ÖVP von Landeshauptmann Markus Wallner bei der jüngsten Landtagswahl bei Facharbeitern der FPÖ geschlagen geben. Und bei der Nationalratswahl holte die SPÖ unter Führung von Andreas Babler in dieser Gruppe 22 Prozent, während die Herbert-Kickl-FPÖ mit 40 Prozent fast zwei Mal mehr schaffte. Das ist ebenfalls „Foresight“-Befragungsergebnissen zu entnehmen.