ANALYSE. Die Partei kann sich nicht darauf verlassen, dass ihr die Verantwortung, die sie übernommen hat, höher angerechnet wird als das, was sie in der Koalition mitträgt.
FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker hat recht: „Kritische Stimmen sollen offenbar nicht gehört werden.“ Mit Fraktionskollegen hat er im Verfassungsausschuss des Nationalrats gefordert, den Rechnungshof, den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat und andere Institutionen einzuladen, eine Stellungnahme zur Änderung des Parteienfinanzierungsgesetzes abzugeben. Die Änderung wird von ÖVP, SPÖ, Neos und Grünen geplant und ist nach Einschätzung des Verfassungsjuristen Peter Bußjäger ganz offensichtlich eine Frechheit: „Ob sich die Herrschaften noch spüren“, hat er auf „Blueksy“ geschrieben.
Zur Erinnerung: Der Rechnungshof kritisiert schon länger, dass Regierungsmitglieder als Parteienvertreter Kabinettsmitarbeiter Social-Media-Beiträge erstellen lassen. Womit staatliche Ressourcen zugunsten von Parteien missbraucht werden. Der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat hat dazu auch Geldstrafen von bis zu 98.000 Euro gegen ÖVP, Neos und Grüne verhängt.
ÖVP, SPÖ, Neos und Grüne wollen durch eine rückwirkende Gesetzesänderung jedoch dafür sorgen, dass keine Strafe bezahlt werden muss; und dass die Praxis künftig erlaubt ist. Es ist, wie wenn ein ertappter Schnellfahrer, der über die Möglichkeit dazu verfügt, eine Geschwindigkeitsbegrenzung hinterher und rückwirkend so weit anheben würde, dass ihm nichts passiert: Schlicht unvorstellbar. Aber wie schreibt Bußjäger sinngemäß: Parteien können es sich richten – und tun es auch.
Das Ganze ist vor allem für Grüne und mehr noch Neos gefährlich: Sie machen hier mit, obwohl sie selbst betroffen sind. Und obwohl sie bisher zurecht immer strengere Bestimmungen für Parteien verlangt haben.
Neos haben sich sogar für eine Kürzung der Parteienförderung ausgesprochen. De facto passiert hier jedoch das Gegenteil. Das ist umso bemerkenswerter, als sich Parteien bei der Budgetsanierung ohnehin schon geschont haben: Während Familienleistungen für zwei Jahre eingefroren werden, wird es die Parteienförderung nur für ein Jahr. Brutal formuliert: Familien, die alles in allem eher armutsgefährdet sind, wird ein größerer Realverlust zugemutet.
Die Neos haben in den vergangenen Monaten in Teilen der Bevölkerung ganz schön Pluspunkte gesammelt: Beate Meinl-Reisinger und Christoph Wiederkehr schlagen sich als Außenministerin bzw. Bildungsminister, als hätten sie noch nie etwas anderes gemacht. Vor allem aber war es nicht selbstverständlich, dass sie mit ÖVP und SPÖ zusammengegangen sind. Sie hatten zunächst, im Jänner, gute Gründe, es nicht zu tun. Am Ende überwog jedoch die Verantwortung, Österreich einen Kanzler Herbert Kickl (FPÖ) zu ersparen.
Natürlich gab es dafür Macht. Nüchtern betrachtet ist sie jedoch begrenzt, sind die Nachteile riesig: „Liebe Neos, was hat Euch inhaltlich bloß so ruiniert?“, kommentierte Franz Schellhorn, Chef des wirtschaftsliberalen Instituts „Agenda Austria“, in der „Presse“.
Tatsächlich haben Meinl-Reisinger und Co. nicht nur in Beug auf die Parteienfinanzierung verloren. Sie müssen davon ausgehen, dass mit SPÖ und ÖVP keine Entparteipolitisierung des ORF-Stiftungsrates zu bewerkstelligen ist. Sie müssen befürchten, dass die Länder und der schwarze Wirtschaftsminister ihren Deregulierungsstaatssekretär Sepp Schellhorn dumm sterben lassen. Sie müssen damit leben, dass keine große Pensionsreform kommt, wie sie sie immer verlangt haben. Sie müssen zunehmend bezweifeln, ob in den kommenden Jahren die budgetären Mittel dafür vorhanden sein werden, Kindern spürbar die Flügel zu heben, wie sie es wollen.
Ein Mann wie Franz Schellhorn ist kein Pragmatiker der Macht, der zur Kenntnis nimmt, dass es keine Mehrheit für, sagen wir, eine Erhöhung des gesetzlichen Pensionsalters gibt und daher zufrieden ist, wenn es durch eine Nachhaltigkeitsgeschichte gelingt, das Thema zumindest längerfristig irgendwie auf der Agenda zu halten. Er ist auch nicht der Typ, der einfach nur froh ist, dass Kickl vom Kanzleramt ferngehalten wird und der daher sehr viel schluckt. Er steht eher für den politischen Menschen, der von seinen Vorstellungen überzeugt ist und erwartet, dass sie umgesetzt werden. Gerade in einer Kleinpartei mit klarem Profil gibt es einige davon. Siehe Grüne, die auch aus diesem Grund nach ihrer Koalition mit der ÖVP verloren haben bei der Nationalratswal im vergangenen Jahr.