ANALYSE. In der Debatte um die Modellregion zur Gemeinsamen Schule nehmen sich nicht einmal mehr kleinere Funktionäre ein Blatt vor den Mund.
Seit nicht einmal eineinhalb Jahren ist Reinhold Mitterlehner gewählter Bundesobmann der Österreichischen Volkspartei. Ob er an die Amtsdauer seines Vorgängers Michael Spindelegger herankommen wird, ist jedoch fraglich; dieser konnte sich immerhin dreieinhalb Jahre in einer der ungemütlichsten Funktionen der Republik halten – früher oder später wird noch jeder ÖVP-Chef von Bünden und Landesorganisationen aufgerieben. Bei Mitterlehner ist dieser Prozess schon sehr weit gediehen.
Den Kurs in der alles andere überschattenden Flüchtlingspolitik bestimmt längst nicht mehr er. Versucht hatte er es ja im vergangenen Sommer mit seiner Ansage, eine „Schubumkehr“ zu mehr Rechtsstaatlichkeit herbeizuführen. Seine Parteifreunde, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Außenminister Sebastian Kurz, ließen sich davon jedoch nicht beirren; sie blieben sich selbst treu. Vor allem Kurz gilt mittlerweile auch in deutschen Medien als derjenige, der die österreichische Flüchtlingspolitik verkörpert. Da bleibt Mitterlehner nicht mehr, als still und heimlich im Hintergrund zu folgen.
Gegenüber einen Chef ist das eine starke Ansage – die zeigt, wie es um seine Autorität bestellt ist.
Wie es um seine Autorität bestellt ist, wurde zuletzt in der Debatte über Modellregionen zur Gemeinsamen Schule sehr deutlich: Vor dem Arlberg stellte er in Aussicht, die Hürden zur Einführung senken zu wollen. Dahinter bekam er prompt Widerspruch; wobei bemerkenswert ist, dass sich nicht einmal mehr Funktionäre aus der zweiten Reihe ein Blatt vor den Mund nehmen: Die Tiroler Abgeordneten Hermann Gahr und Karlheinz Töchterle brachten soeben eine Petition im Nationalrat ein, die vor allem Eltern, Lehrern und Schülern von Gymnasien eine Vetomöglichkeit sicherstellen soll. Und der Landesobmann der in Wien noch vorhandenen ÖVP, Gernot Blümel, ließ Mitterlehner via „Presse“ gar wissen: „Ich erwarte mir, dass alle Mitglieder des Bundesparteivorstands zu den dort getroffenen Beschlüssen stehen.“ Gegenüber einem Chef ist das eine starke Ansage – die zeigt, wie es um seine Autorität bestellt ist.
Der Rückhalt in der Partei, den Mitterlehner genießt, ist tatsächlich schwach geworden: Bei den Regierungsmitgliedern kann er keinem blind vertrauen. Der Klubobmann steht eher auf der Seite von Kurz und Mikl-Leitner. Dasselbe gilt für den letzten mächtigen Landesparteiobmann, den nö. Landeshauptmann Erwin Pröll. Und der Wirtschaftsbund, aus dem Mitterlehner kommt, hat alle Hände damit zu tun, Unternehmer wegen dem Rauchverbot in Lokalen und der Gegenfinanzierung der Steuerreform (Stichwort „Betrugsbekämpfung“) zu beruhigen, die er mitgetragen hat.