Mit Wöginger untergehen

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ANALYSE. Der ÖVP-Klubobmann steht wegen Postenschacher vor Gericht. Christian Stocker, sein Chef, tut, als wäre nichts. Ein schwerer Fehler.

Christian Stocker will es allen recht machen. Als Bundeskanzler, vor allem aber als ÖVP-Chef: Es ist ihm wichtig, zu betonen, dass er mit seinem Vorvorgänger Sebastian Kurz gut auskomme. Es liegt ihm fern, mit Vergangenem zu brechen. Also lässt er sich weiterhin von Kurz-Mann Gerald Fleischmann („Mr. Message Control“) beraten; bemüht sich einerseits, den Anti-Kickl zu geben, schaut andererseits aber, dass seine Frau fürs Grobe, Claudia Plakolm, eine FPÖ-ähnliche Zuwanderungs- und Integrationspolitik betreibt.

Von Kurz und seinem unmittelbaren Vorgänger Karl Nehammer übernommen hat er zudem den Klubobmann: August Wöginger. Dieser steht nun vor Gericht: Wegen Freunderlwirtschaft oder Postenschacher, also Korruption. Das wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, es gilt die Unschuldsvermutung. Und Stocker hat bereits klargemacht, dass er selbst im Falle einer Verurteilung an ihm festhalten würde: „Gerade der Prozess von Sebastian Kurz zeigt, dass man bei einer Anklage und auch bei einer erstinstanzlichen Verurteilung vorsichtig sein sollte. (…) Man sieht ja, wie leicht Spitzenpolitiker einem Verfahren ausgesetzt sein können, weil es immer mehr politisch motivierte Anzeigen gibt.“

Wöginger ist angepatzt worden? Er hat sich dafür eingesetzt, dass ein Parteikollege Vorstand des Finanzamts Braunau, Ried und Schärding wird, was dieser dann auch geworden ist. Eine Beamtin, die sich ebenfalls beworben hatte und das Finanzamt bereits interimistisch geführt hatte, hatte das Nachsehen. Laut Bundesverwaltungsgericht wäre sie besser qualifiziert gewesen.

Wöginger selbst will nur ein Anliegen aus einem Sprechtag weitergeleitet haben. Nach der Entscheidung zugunsten des Parteikollegen schrieb ihm der damalige Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid: „Der Bürgermeister schuldet dir was!“ Wöginger reagierte erfreut.

Nur ein Anliegen aus einem Sprechtag weitergeleitet: Schon Nehammer hatte den Eindruck erwecken wollen, dass er nur Gutes im Sinne hatte. Das ihm das heute zum Vorwurf gemacht wird, soll demnach riesengroßes Unrecht sein: „Da werden nicht nur all jene Politikerinnen und Politiker mit kriminalisiert, die alleinerziehenden Müttern helfen, einen Kindergartenplatz zu finden oder die Eltern unterstützen, damit sie eine Wohnung für ihr Kind bekommen, das in Wien studiert. Es werden auch die Menschen kriminalisiert, die sich mit einem Anliegen an Politiker wenden. Sich für Menschen einzusetzen, heißt noch lange nicht, Recht zu beugen“, behauptete Nehammer.

Mutmaßliche Korruption und Hilfe für eine alleinerziehende Mutter auf eine Ebene zu stellen, muss man sich erst einmal trauen. Andererseits: Vielleicht ist es zu normal, fehlt jegliches Problembewusstsein.

Für Stocker wäre es jedoch fünf vor zwölf, derlei zu korrigieren: Er, der die Demokratie sturmfest machen möchte, sodass sie auch einen wie Kickl übersteht, müsste wettmachen, was schon zu lange falsch läuft. Er müsste dafür sorgen, dass Medien und ihre Förderung abgesichert werden, dass es in möglichst allen Bereichen zu einer Entparteipolitisierung in dem Sinne kommt, dass es schwieriger wird für Parteien, bei Postenbesetzungen eher nur eigene Machtinteressen durchzusetzen und so weiter und so fort.

Insofern ist es gefährlich für ihn, an Wöginger festzuhalten: Unabhängig von dem, was nun rechtlich herauskommt, ist der Mann schon eine Belastung für ihn. Allein, dass er so tut, als habe er nur ein Anliegen aus einer Sprechstunde weitergeleitet: Er hat einem Parteifreund einen Dienst erwiesen. Und zwar ohne dessen fachliche Qualifikation (fundiert) beurteilen zu können; geschweige denn jene der Mitbewerberin. Er hat vielmehr die Annahme sehr vieler Menschen in Österreich gestärkt, dass das richtige Parteibuch nützlich ist.

Stocker wiederum nützt eine weitere Möglichkeit nicht, zu signalisieren, dass er einen Neubeginn möchte für die ÖVP. Er geht „lieber“ das Risiko ein, mit ihr unterzugehen.

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