Mikl-Leitner heuchelt

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ANALYSE. Die niederösterreichische Landeshauptfrau zeigt sich besorgt über Wahlerfolge der Kommunisten. In Wirklichkeit geht es ihr um etwas anderes.

Es ist ungewöhnlich, dass eine Tageszeitung eine Spitzenpolitikerin einen längeren Gastkommentar schreiben lässt und diesen als Leserbrief veröffentlicht. Was aber ist schon noch ungewöhnlich? Offenbar war es im Interesse der „Kronen Zeitung“, was die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zu sagen hat und ließ es diese daher in ihrer Sonntagsausgabe einfach Wort für Wort als Leserinbrief selbst mitteilen. Also ohne Gegenfrage und dergleichen, wie es in einem journalistischen Artikel notwendig gewesen wäre.

Mikl-Leitner schieb unter dem Titel „Gegen Extreme“, dass menschenverachtende Zeiten nicht wiederkehren dürften: „Umso erschütternder ist es für mich, die am Eisernen Vorhang, an der Grenze zur Tschechoslowakei aufgewachsen ist, dass die Ideen des Marximus, die zu den Verbrechen des Kommunismus geführt haben, bei vielen offenbar kein Schaudern mehr auslösen. Im Gegenteil: Sadistische Verbrecher wie Lenin, Stalin und Che Guevara gelten heute manchen als Heilsbringer und Vorbilder. Die selbstzersetzenden Kräfte der Sozialdemokratie machen die Kommunistische Partei Österreichs für viele inzwischen zur charmanten linken Alternative, die frischen Wind in die Politik bringt.“

„Diese Kommunistische Partei“ trete in Österreich bei demokratischen Wahlen an: „Und nun womöglich sogar bei der kommenden Nationalratswahl. Dabei geht es mir nicht nur um deren linksextreme, freiheits-, eigentumsfeindliche Inhalte – Diskussionen darüber muss man in einer Demokratie aushalten. Davon lebt Demokratie. Es geht um die ganz bewusste Entscheidung, im Namen einer Partei um Zustimmung zu werben, die für Millionen Menschen Tod und Unterdrückung gebracht hat.“ 

Was will Johanna Mikl-Leiter? Beim Wort „Marximus“ fällt einem natürlich Andreas Babler ein: Geht es darum, eine SPÖ, in der er Platz hat und die er vielleicht sogar führen könnte in Zukunft, vorsorglich als extremistische Partei darzustellen? Oder steht doch eher die KPÖ im Vordergrund? Jedenfalls nützt Mikl-Leitner aus, dass sie laut Bundespräsident Alexander Van der Bellen aufgrund ihrer Koalition mit einer rechtsextremen FPÖ unter besonderer Beobachtung steht; und zwar um den Versuch zu starten, zu vermitteln, dass es eine noch extremere Partei gibt in Österreich, und dass sie sich dagegenstellt. Zwischen den Zeilen bemüht sie sich zudem, die Erzählung zu bekräftigen, dass es ihr nach der jüngsten Landtagswahl unmöglich gewesen sei, mit einer sich selbstzersetzenden Sozialdemokratie zusammenzuarbeiten. Was letzten Endes zum Schluss führt, dass nach der nächsten Nationalratswahl auch auf Bundesebene Türkis-Blau alternativlos sei.

Um Demokratie geht es der niederösterreichischen Landeshauptfrau nicht. Würde es das tun, müsste sie präziser sein. „Die Kommunistische Partei“, von der sie immer wieder schreibt, unterstellt etwa, dass es zwischen der KPdSU unter Josef Stalin, den italienischen oder französischen Kommunisten und der KPÖ keinen Unterschied gibt.

Dieses Niveau ist vielleicht auch ein Grund dafür, dass es in Österreich keine Debattenkultur geben kann. Eine solche würde in Verbindung mit aufrichtiger Sorge Mikl-Leitners erfordern, dass sie sich bemüht, am Punkt zu bleiben: Dass sie eine KPÖ bzw. eine Elke Kahr oder einen Kay Michael Dankl mit konkreten Fragen konfrontiert. Den Andreas Babler könnte sie wiederum herausfordern, auszuführen, was Marxismus hier und heute bedeuten soll.

Sie tut es nicht. Zu unterstellen, es liege daran, dass sie die Aufforderung des britischen „Economist“ an Regierende der Welt ignoriert hat, Karl Marx zu lesen, weil dessen Diagnose der Mängel des Kapitalismus „überraschend relevant“ seien, ist böse. Es soll jedoch darauf anspielen: Bei Politikerinnen wie Mikl-Leitner weiß man nicht, was inhaltlich leitend für sie ist. Sonntags geben sie sich marktfreundlich, von Montag bis Samstag machen sie eine Politik voller Subventionen und in schier alle Lebensbereiche hineinwirkenden Landesgesellschaften. Steigt der Strompreis, sorgen sie zudem dafür, dass das den Menschen ausgeglichen wird. Sinkt der Spritpreis, wollen sie, dass es trotzdem bei einer erhöhten Pendlerförderung bleibt. Und dann koalieren sie eben mit einer rechtsextremen FPÖ.

Die Landeshauptfrau spielt in ihrem Leserinbrief gezielt mit Unbestimmtheit. Sie profitiert einerseits davon, dass viele Wählerinnen und Wähler Leute wie Dankl und Kahr wirklich nur aufgrund ihres sozialpolitischen Engagements gut finden; zumal es authentisch wirkt und kein Übereinkommen mit Freunden in Moskau vorliegt; oder auch keine Forderung, Menschenrechte aufzukündigen, man im Übrigen aber nicht so genau weiß, worauf sie politischen letzten Endes wirklich hinauswollen. Nur das ist wohl klar: Stalinistische Gräueltaten heißen sie nicht gut. Mikl-Leitner tut jedoch so und setzt dabei gezielt darauf, dass „Kommunismus“, in welcher Ausformung auch immer, von größeren Teilen der Bevölkerung ausschießlich damit gleichgesetzt wird. Insofern könnte ihr Kalkül aufgehen.

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