ANALYSE. Als Journalist kann man sich über die Angriffe von Efgani Dönmez auf Tarek Leitner nicht wundern. Da steckt System dahinter.
Der Nationalratsabgeordnete Marcus Franz, der zunächst ein Team-Stronach- und dann ein ÖVP-Mandat hatte und seit März quasi frei ist, irrt: Bei den Angriffen des neuen Vertreters der neuen Volkspartei Efgani Dönmez auf den ORF-„Sommergespräch“-Moderator Tarek Leitner geht es nicht um persönliche Befindlichkeiten. Diesen Eindruck hatte er am vergangenen Samstag in Tweets gemacht, die u.a. an den Autor dieser Zeilen gerichtet waren: „Und was tun die Damen und Herren Journalisten sonst so das ganze Jahr?? Spart euch das #mimimi – es ist nur peinlich!“ Und wenig später: „Selbstgerechtes Herummoralisieren, betuliche Besserwisserei, tendenziöse Kommentare u diverse ad-hominem-Attacken haben eben Folgen.“
Nein, es geht hier nicht um XY und auch nicht um die Person Tarek Leitner oder sonst jemanden, sondern um Medien- und damit ein gutes Stück Demokratiepolitik. Und um sie ist es seit Jahren dramatisch schlecht bestellt – was sich in absehbarer Zeit nun eben nicht zu verbessern scheint; im Gegenteil.
Medienpolitik in Österreich ist unter anderem dies: Es gibt zwar eine Presseförderung, die der Qualität dienen soll, sie aber ist lächerlich gering im Verhältnis zum Inseratenvolumen, das auf öffentliche Auftraggeber zurückgeht. Laut einer Auswertung des Bundespressedienstes sind im vergangenen Jahr summa summarum knapp 60 Millionen Euro an „Mediaprint“ (u.a. „Kronenzeitung), „AHVV Verlags GmbH“ (u.a. „Heute“) und „Österreich“ geflossen; letzten Endes vor allem also Boulevardtitel, die sich weniger an bestimmten Qualitätskriterien als an Reichweiten orientieren. Die Presseförderung machte insgesamt gerade einmal 8,84 Millionen Euro aus. Dafür verantwortlich: SPÖ und ÖVP.
Medienpolitik in Österreich ist aber auch dies: Ein ORF, in dem sich die beiden Mittelparteien unter anderem über den Stiftungsrat maßgebliche Einflussmöglichkeiten erhalten haben. Oder in dem auf Länderebene die jeweiligen Landeshauptleute noch viel ungenierter hineinwerken, wie in der ORF-Mediensendung #doublecheck gerade erst dokumentiert wurde.
Die Unabhängigkeit der Medien ist so gesehen grundsätzlich eine relative Sache. Am ehesten ist sie noch dort gewährleistet, wo sich etwa Zeitungen auf dem Markt behaupten können, also über genügend zahlende Leser und private Inserenten verfügen; sie können es sich sprichwörtlich leisten, sich politischen Begehrlichkeiten zu widersetzen. Doch die Marktverhältnisse sind ein eigenes Kapitel; sie sind jetzt auch nicht gerade rosig. Eine Änderung ist nicht im Sicht. Im Gegenteil.
Womit wir uns Efgani Dönmez annähern. Die Sache ist zu durchschaubar: Vor knapp einer Woche stand auf dieSubstanz.at, übereifrige Helfer könnten Sebastian Kurz allenfalls noch gefährlich werden. Wobei man davon ausgehen kann, dass diese „Dirty Campaigner“ in seinem Sinne tätig sind: Schon nach dem Sommergespräch, in dem Moderator Tarek Leitner lediglich darauf bestand, dass Kurz seine Fragen beantwortet, titelte „Österreich“, eine „VP-Mandatarin“ erkläre dem Sender „den Krieg“. Und ÖVP-Mediensprecher Gernot Blümel präsentiert daneben gleich „ÖVP-Pläne für Kürzung der ORF-Gebühren“. Motto „Strafe muss sein“? Es schaut so aus. Von einer Kürzung der öffentlichen Inserate auf Bundesebene hat der Kurz-Vertraute Blümel jedenfalls noch nie geredet.
Was liegt das pickt. Vernadert ist vernadert.
Dönmez hat zuletzt wiederum die wahre Geschichte, wonach Leitners Familie 2015 mit weiteren Familien, darunter der des damaligen ÖBB-Chefs Christian Kern, einen Urlaub verbrachte, um eine mutmaßliche „Fake News“ erweiterte: Eine „vertrauenswürdige Quelle“ habe ihm „verraten“, dass Kern und Leitner außerdem „im Herbst 2016 gemeinsam in Marokko auf Urlaub waren“. Was Leitner und Kern dementierten – und wofür Dönmez keinen Beweis hatte.
Doch alles weitere ware dann ohnehin nebensächlich: Die Geschichte war schon groß in den Medien. Was liegt das pickt. Kern und Leitner sind demnach sehr, sehr gute Freunde; also kann Leitner kein kritisches Interview mit Kern führen. Vernadert ist vernadert.
Wobei neben vielem anderen eben dies bemerkenswert ist: Die Geschichte, dass die beiden gemeinsam mit ihren und anderen Familien vor zwei Jahren einmal auf Urlaub waren, ist schon seit vielen Wochen bekannt. Wenn man ein Problem darin sieht – was man sehr wohl tun kann -, hätte man dies gleich thematisieren müssen. Getan und dabei den Inhalt auch noch hemmungslos ausgeschmückt hat Dönmez das jedoch erst nach dem Sommergespräch mit Kurz und vor dem mit Kern. Das lässt tief blicken.
Und das hat zwei Ziele: Die Glaubwürdigkeit eines Medienvertreters zu diskreditieren, um dem eigenen Chef zu nützen und dem Mitbewerber zu schaden. Womit auch schon zum Ausdruck kommt, dass es hier bei weitem nicht nur um einen Journalisten geht; zumal im Übrigen, wie erwähnt, in diesem Zusammenhang ja auch schon dessen Sender „der Krieg“ erklärt wurde. Das hat vielmehr System.
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