Ludwigs Logik

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ANALYSE. Mit der ÖVP gibt’s sowieso eine Zusammenarbeit und die Neos kommen bei den Leuten, die ihm wichtig sind, besser an als die Grünen. Also bleibt’s in Wien bei Rot-Pink.

In einem Doppelinterview, das der „Kurier“ mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und dem dortigen Wirtschaftskammerpräsidenten Walter Ruck (ÖVP) führte, hat dieser sinngemäß erklärt: „Wir wären mit den Verhandlungen fertig.“ Es war Anfang Jänner und bezog sich zwar auf die gescheiterten Gespräche zwischen ihren Parteien auf Bundesebene. Es unterstrich aber, wie gut die beiden miteinander können. So gut, dass sie de facto eine Koalition bilden, auch wenn es in Wirklichkeit in der Bundeshauptstadt eine ganz andere gibt.

Bisher und wohl auch in Zukunft nämlich eine rot-pinke: Ludwig hat sich nach Sondierungsgesprächen mit Schwarzen, Grünen und Pinken dafür entschieden, Koalitionsverhandlungen mit diesen aufzunehmen. Sie haben sich in den vergangenen fünf Jahren als wahre Pragmatiker der Macht erwiesen, mit denen gut zusammenarbeiten ist und mit denen man sich auch Wählern zeigen kann, die man als Sozialdemokrat ansprechen möchte.

Gegen die ÖVP sprach, dass sie unter ihrem bisherigen Obmann Karl Mahrer dezidiert rechtspopulistisch agierte und Ludwig mit ihr an seiner Seite daher einen Teil seiner Anhängerschaft verstören würde. Im Übrigen hat sie durch ihr Ringen um die Mahrer-Nachfolge zuletzt gezeigt, dass sie nach dem Absturz auf weniger als zehn Prozent alles andere als geschlossen ist. Markus Figl, Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, konnte sich nur knapp durchsetzen.

Gegen die Grünen sprach, dass sie aus Ludwigs Sicht zu sehr polarisieren und mit ihrer Ablehnung des Lobautunnels lästige Partner wären. Genauer: Wie Karl Nehammer vor zwei, drei Jahren auf Bundesebene auf Distanz zu den Grünen gegangen ist, weil sie ÖVP-Zielgruppen mit ihrem klimapolitischen Engagement gegen sich aufgebracht haben, so will sich Ludwig Vergleichbares gar nicht erst einhandeln: Wo die vielen SPÖ-Wähler zu Hause sind, also in Flächenbezirken wie der Donaustadt und Favoriten, sind die Grünen eher unten durch.

Schwacher Trost für sie: Ihnen bleibt die Führung in zentrumsnahen Bezirken sowie Währing. Hier aufzuzeigen ist möglich, aber halt nur begrenzt. Die große Bühne, die ihnen gerade nach dem Ausscheiden aus den Landesregierungen von Vorarlberg, Tirol und Salzburg fehlt und die ihnen ihre Zusammenarbeit mit Hans Peter Doskozil im Burgenland nicht bieten kann, wäre das Wiener Rathaus. Doch sie bleibt ihnen jetzt bis voraussichtlich 2030, wenn die nächste Gemeinderatswahl stattfinden wird, weiter verwehrt.

Die FPÖ ist für Ludwig als Koalitionspartner nicht in Frage gekommen. Sind also die Neos übriggeblieben. Machttechnisch und mit Blick auf die Wähler ist das logisch: Viele mögen die Neos. Das zeigt ein Blick auf die Koalitionspräferenzen, die das Sozialforschungsinstitut „Foresight“ am Wahltag abgefragt hat: Bei SPÖ-Anhängern liegen sie als mögliche Partner vorne und bei ÖVP- sowie Grünen-Anhängern auf Platz zwei hinter Sozialdemokraten.

Neos sind im Übrigen gute Juniorpartner für eine Partei und einen Mann, die es gewohnt sind, bestimmend zu sein. Christoph Wiederkehr hat in den vergangenen Jahren einen soliden Job als Bildungsstadtrat gemacht und sich damit für das Ministeramt qualifiziert, das er jetzt innehat. Er ist nach außen hin wahrnehmbar nie wirklich unangenehm geworden für Ludwig, hat es nie krachen lassen; auch nicht wegen des Budgets bzw. der beträchtlichen Neuverschuldung, die in Wien allein heuer bis zu 3,8 Milliarden Euro betragen wird.

Es ist eine Win-Win-Situation für Ludwig, aber auch die Neos: Es scheint, dass ihnen kaum jemand böse ist, dass sie nicht stärker aufzeigen. Es wird ihnen eher angerechnet, dass sie als Bürgerliche einfach mitregieren, sich im Wesentlichen auf ihre Ressortzuständigkeiten konzentrieren, ohne Pleiten, Pech und Pannen zu liefern. Was sie, nebenbei bemerkt, vielleicht auch für die ÖVP so gefährlich macht. Zumindest in den Städten. In Wien haben sie die Volkspartei in der Wählergunst gerade erstmals hinter sich gelassen.

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