ANALYSE. Normalität, Glaub an Österreich, Leitkultur: Warum ÖVP-Chef Karl Nehammer mit all seinen bisherigen Versuchen gescheitert ist, nach vorne zu kommen.
„Die ÖVP ist miserabel drauf“, heißt es im Leitartikel der Kleinen Zeitung vom 7. April, verfasst von Chefredakteur Hubert Patterer: „Wer sich nicht als ihr ausgewiesener Widersacher begreift, muss Mitleid empfinden. Die Partei wirkt geistig und handwerklich auf eine Weise von der Rolle, dass es wehtut. Was sie in Angriff nimmt, scheitert spottverdächtig und blamabel.“
Alles gesagt. Wie ist es jedoch erklärbar? ÖVP-Chef, Bundeskanzler Karl Nehammer versucht seit gut einem Jahr immer wieder aufs Neue, Akzente zu setzen und so in die Gänge kommen. Es gelingt ihm jedoch nicht. Da war etwa das Bemühen, den Begriff „Normalität“ zu besetzen. Oder im Geiste von Leopold Figl die Leute zu ermuntern, an Österreich zu glauben. Oder derzeit eben die Sache mit der Leitkultur.
Sie führt wohl am besten zur Antwort auf die erwähnte Frage: Vor Ostern ging die Partei mit einem Kampagnenbeitrag in die Öffentlichkeit, der den Titel „Tradition statt Multikulti“ trug und bei dem auf einer Abbildung Männer in Tracht zu sehen sind, die einen Maibaum aufstellen; das sei für die „Leit“ (Leute) Kultur. Der Beitrag wurde nach wenigen Stunden wieder zurückgezogen. Zu schlecht gemacht, zu tief.
Er hätte auch von der AfD oder der FPÖ kommen können. Genauso wie die Botschaft, dass gehen müsse, wer sich nicht anpasse. Wobei: Der Vergleich hinkt. Bei den extrem Rechten beschreibt es aufrichtig Inhalte und Überzeugungen, die fest verwurzelt sind; bei ihnen ergeben sich solche Slogans daraus.
Bei der ÖVP herrscht seit Sebastian Kurz die Meinung vor, dass man hier mitmischen müsse. In ihrem Fall steht jedoch quasi die Message zuerst. Dabei ist es geblieben. Gerald Fleischmann, der Message-Control-Mann von Kurz ist heute Kommunikationschef der Karl-Nehammer-ÖVP. Und das merkt man.
Die Krise der Volkspartei ist, dass sie nicht überlegt, wie sie das, wofür sie allenfalls noch steht, kampagnentauglich zum Ausdruck bringen könnte. Das ist vorbei. Sie ist stattdessen, man muss es in dieser Deutlichkeit sagen, zu einer schlichten Message-Schleuder geworden: „Normalität“, „Glaub an Österreich“ und „Leitkultur“ kommen aus keiner Programm-, sondern aus der Kommunikationsabteilung. Ergebnis: Es ist inhaltlich nichts unterfüttert und wird auch von keinen Ansprüchen getragen. Null. Schlimmer für die Partei: Karl Nehammer ist für die Vermittlung zuständig und der Mann kann weder reden noch blenden.
Letzteres mag sympathisch sein, erklärt jedoch viel: Aus keinem der Vorstöße kann etwas werden, weil Nehammer nicht mehr als die Überschrift zu bieten hat. Er hat keine zwei, drei Sätze auf Lager, die dazu angetan sind, eine Masse mitzunehmen.