ANALYSE. Die Rolle, die der ÖVP-Chef im Wahlkampf eingenommen hat, erschwert die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen.
Was jetzt? ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat im vergangenen Nationalratswahlkampf ganz schön Verwirrung gestiftet, als er sich als Waldviertler ausgab: 2017 hatte er vor dem seinerzeitigen Urnengang noch ausdrücklich betont, ein Meidlinger zu sein. Das mit den Waldviertler ist eher nur ein gewisser Migrationshintergrund, aber darum geht es hier nicht: Entscheidend ist, dass es sich um programmatische Botschaften handelte.
Der Meidlinger stand für das Arbeiterkind aus der Bundeshauptstadt und entsprach dem Ziel, der FPÖ von Heinz-Christian Strache kleine Leute abzuwerben. Message: „Ich bin einer von euch.“
Der Waldviertler war an die Frauen und Männer gerichtet, die im ländlichen Raum zu Hause und eher noch rechtskonservativ gestrickt sind. Auch sie bilden damit quasi die Antithese zu den Grünen – was ÖVP-Klubobmann August Wöginger mit seiner Aussage ja sehr schön zum Ausdruck gebracht hat, dass es nicht sein könne, dass bürgerliche Kinder nach Wien gehen und als Grüne zurückehren.
Bei den Koalitionsverhandlungen steht aus der Sicht von Sebastian Kurz nun freilich der Waldviertler dem Meidlinger im Weg: Ein wirkungsvolles Klimaschutzprogramm, das unter anderem eine Abschaffung des Dieselprivilegs und natürlich auch eine CO2-Steuer enthält, ist mit ihm nicht möglich. Das hat Kurz im Wahlkampf auch klipp und klar gesagt: Neue CO2-Steuern wären „sozial ungerecht und würden den ländlichen Raum massiv belasten“.
Sprich: Würde Kurz dem nun doch zustimmen, hätte er ein Problem mit den Menschen, denen er seinen jüngsten Wahlsieg zu verdanken hat. Um nicht missverstanden zu werden: Das ist eine Hürde. Er kann sich trotzdem noch immer sagen, dass er das hinnimmt, weil es daneben ja vielleicht noch andere Dinge gibt, die diese Menschen wieder besänftigen könnten: eine Milliarde für den ländlichen Raum ganz generell und für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs ebendort im besonderen, etwa.
Mit dem Meidlinger hätte Kurz dieses Problem nun nicht: Gerade weil er in der Bundeshauptstadt wohnt, ist das Auto weniger wichtig für ihn. Genau genommen könnte er sogar darauf verzichten und würde auch mit den Öffis zurechtkommen.
Ja, er wäre sogar der große Gewinner des grünen Ökosteuermodells. Das sieht nämlich einen Bonus von 500 Euro für jeden Erwachsenen vor. Und diese 500 Euro bleiben jemandem, der nicht auf teureren Sprit angewiesen ist, viel eher als einem Pendler aus dem Waldviertel oder woher auch immer.
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