ANALYSE. Österreichs Kanzler wird von Leuten, die Europa spalten wollen, nicht nur umworben. Jetzt geht er auf einen der Übelsten auch noch selbst zu: den Italiener Matteo Salvini.
Dem von beiden Seiten geplanten Treffen mit dem neuen US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, widerstand Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) letzten Endes. Zum Glück: Grenell ist ganz im Sinne seines Präsidenten Donald Trump angetreten, Europa zu spalten. Er wolle die „Konservative ermächtigen“, wenn sie gegen die „Fehler der Linken“ zu Felde zögen, sagt er ganz offen. Und meint damit wohl Leute wie Ungarns Premier Viktor Orbán, der bereits das Ende der liberalen Demokratie verkündet hat, jedenfalls aber Sebastian Kurz, den er schon einmal als „Rockstar“ bezeichnet hat.
Sich von einem solchen Mann helfen zu lassen, wäre angesichts der Huldigungen verlockend, andererseits aber brandgefährlich: Europa driftet ohnehin schon auseinander. Und im Zuge der Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 ist Kurz mehr denn je gefordert, dagegenzuhalten. Sprich: Daran wird er zu messen sein.
Dummerweise hat sich sein Koalitionspartner FPÖ auch zum Putin-Partei-Partner machen lassen.
Die Herausforderung ist gigantisch: Gegenüber der jüngsten Charme-Offensive des russischen Staatschefs Wladimir Putin wirkte vor wenigen Tagen in Wien auch Bundespräsiden Alexander Van der Bellen erlegen. Bei Kurz war’s nicht anders. Souveräne Distanz zu einem Mann, der über seine Partei die antieuropäische Rechte in westlichen Ländern bis hin zu Österreich unterstützen lässt, schaut anders aus. Doch da ist der Kanzler eben auch ein Gefangener, dummerweise hat sich sein Koalitionspartner FPÖ auch zum Putin-Partei-Partner machen lassen. Das ist ein echtes Problem.
International hat sich Kurz bisher durchaus auch nach pragmatischen Erwägungen ausgerichtet. Wie andere in seinem Licht, versucht er selbst sich beispielsweise in dem des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu sonnen, wenn es darum geht, innenpolitischen Reformeifer zu demonstrieren. In europäischen Fragen will er jedoch nicht viel mit ihm zu tun haben. Zu groß sind die Unterschiede.
Matteo Salvini steht auch für Rassentrennung in Eisenbahnwagons und die Aussage, dass der Euro eine kriminelle Währung sei.
Das Verhängnisvolle für Kurz ist jedoch, dass sich Standpunkte in der Europapolitik zunehmend allein über seine eigentlichen Hauptthemen definieren, nämlich den Umgang mit Fremden im Allgemeinen und Flüchtlingen im Besonderen: Entweder zurück zum Nationalstaat zur Abwehr vermeintlicher Gefahren oder Fortsetzung des Integrationsprozesses, lauten die beiden Antworten nur leicht zugespitzt formuliert.
Diese Schicksalsfrage für Europa steht immer mit im Raum. Auch wenn Kurz diese deutsch-österreichisch-italienische „Achse der Willigen“ zum „Kampf gegen illegale Migration“ ausruft. Dafür kann er jedenfalls in Italien nur einen ganz Übeln gewinnen: De-facto-Regierungschef Matteo Salvini, der auch für die Forderung nach einer Rassentrennung in Eisenbahnwagons steht oder die Aussage, dass der Euro eine kriminelle Währung sei. Womit ziemlich klar ist, worum es ihm geht; nicht um eine Lösung von Flüchtlingsproblemen, sondern die Zerstörung von viel mehr.