ANALYSE. Der ÖVP-Chef hat ein türkis-blaues Kanzlerduell ausgerufen – eine letzte Chance für Linksparteien. Und er hat eine 3-Parteien-Koalition ausgeschlossen – ein Problem für die NEOS.
Über Nacht hat sich’s ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz anders überlegt: Samstagabend verkündete er auf Twitter, die Nationalratswahl werde eine Volksabstimmung über die roten Wahlkampfmethoden. Sonntagabend lieferte er dann jedoch im TV-Duell mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eine andere Ansage: Am 15. Oktober werde es darum gehen, wer von den beiden die nächste Regierung führt. Das ist bemerkenswert, hat es doch das Zeug dazu, eine völlig neue Dynamik auszulösen.
Bisher hatte es ja ein Kanzlerduell gegeben, das quasi Kurz und Amtsinhaber Christian Kern (SPÖ) mit- bzw. gegeneinander austrugen. Wobei es bei alledem eher um eine Inszenierung geht, die irgendwann einmal in die allgemeine Wahrnehmung übergehen soll: Ob die Wähler das auch so sehen oder letzten Endes ganz anders entscheiden, ist immer öfter eine Frage, die bis zuletzt offen bleibt.
Doch sei’s drum: Die Causa Silberstein hat Kern wohl kaum genützt. Und die Vorwürfe, die Peter Puller erhebt, machen wiederum der ÖVP zu schaffen; sie sieht sich zumindest gezwungen, sich mit allen Mitteln zu wehren. Was in Summe zu einem lachenden Dritten führen könnte: Heinz-Christian Strache (FPÖ).
Die Leute sollen glauben, dass Strache wirklich Kanzler werden könnte. Und das sollte diesem erfahrungsgemäß zu schaffen machen.
Sebastian Kurz nimmt das ganz offensichtlich ernst: „Entweder Sie oder ich werden Kanzler sein“, sagt er zum Freiheitlichen am Sonntagabend auf Plus 4. Das sei die Richtungsentscheidung, um die es am 15. Oktober gehe. Soll heißen: Kurz befördert Strache zu seinem Hauptgegner.
Und das bringt wenige Tage vor der Entscheidung eine ziemlich neue Dynamik in den Wahlkampf, die rein strategisch gesehen klug, aber nicht ohne Risiko ist vom Standpunkt von Kurz aus gesehen: Strache hat zuletzt davon profitiert, dass er unterschätzt wurde. Jetzt versucht Kurz das umzudrehen. Die Leute sollen glauben, dass Strache wirklich Kanzler werden könnte. Und das sollte diesem erfahrungsgemäß zu schaffen machen: Viele wollen ihn, um ihren Unmut ventilieren zu können; nur verhältnismäßig wenige hätten ihn jedoch gerne als Regierungschef. Folglich ist er mit seiner Ansage, Bürgermeister von Wien werden zu wollen, 2015 überraschend klar gescheitert.
Eine türkis-grün-pinke Koalition sei aufgrund der Mehrheitsverhältnisse „vollkommen ausgeschlossen“, teilte Kurz mit.
Auf der anderen Seite ist es auch ein riskantes Duell für Kurz: Sein Angebot an die Wähler unterscheidet sich von jenem Straches mehr in der Verpackung als im Inhalt. Beiden geht es in erster Linie ausschließlich um eine restriktive Migrationspolitik. Und das allein kann in Summe kaum mehr als 60 Prozent der Österreicher ansprechen. Anders ausgedrückt: Es reicht zwar für eine relative Mehrheit für einen der beiden, die klar ist, lässt auf der anderen Seite aber zumindest theoretisch wieder ziemlich viel Luft für die eher linken Mitbewerber SPÖ, die Grünen und Peter Pilz.
Und die NEOS? Für sie hatte Kurz in dem Duell mit Strache eine bittere Ansage: Eine türkis-grün-pinke Koalition sei aufgrund der Mehrheitsverhältnisse „vollkommen ausgeschlossen“, teilte er mit. Was naturgemäß dem Versuch von NEOS-Chef Matthias Strolz widerspricht, den Wählern mitzuteilen, dass seine Partei „als Stachel“ eine unverzichtbare Rolle in einer Kurz-geführten Regierung haben könnte. Darauf gibt es im Moment keine Aussicht.
>> dieSubstanz.at zur österreichischen Politik. Täglich >> Zum Newsletter