ANALYSE. Der Wien-Wahl-Spitzenkandidat trübt die Erfolgsaussichten der neuen ÖVP von Sebastian Kurz. Das hat sich dieser aber auch selbst zuzuschreiben.
Da kann der hochmotivierte Peter L. Eppinger als Haus- und Hofmoderator der neuen ÖVP noch so viel Stimmung machen: Zu sehen sind Fans, eine Bewegung kommt jedoch keine zustande. Die neue ÖVP wird allein inszeniert von Sebastian Kurz und seinen hochprofessionellen Beratern.
Das zeigt sich indirekt zum Beispiel in einem Artikel im Lokalteil der Vorarlberger Nachrichten nach der ÖVP-Schlappe bei der Bürgermeister-Wahl in Bregenz. Die wichtigsten Leute der Ortsgruppe hätten sich umgehend zusammengetan, um zu beraten, wie es weitergehen soll. Darunter: Norbert Sieber, Magnus Brunner und Veronika Marte. Unbekannt? Sieber ist einer von vielen Nationalratsabgeordneten, die nicht einmal dann selbstbewusst aufzeigen wollen, wenn’s nötig sein könnte. Er ist damit eher nur Insidern bekannt. Brunner sollte man zumindest vom Namen her kennen, er ist Staatssekretär im Verkehrsministerium. Marte müsste man dagegen wirklich kennen. Sie ist immerhin stellvertretende Bundesparteivorsitzende der neuen Österreichischen Volkspartei, Vize von Sebastian Kurz also. Allein: Auch sie ist außerhalb von Bregenz keine Berühmtheit.
Das ist bezeichnend: Türkis will zwar nicht als Partei, sondern als Bewegung wahrgenommen werden, ist aber eine Kurz-AG. Und damit sie das sein kann, ist Sebastian Kurz von einer Funktionärsriege umgeben, deren Aufgabe allein darin besteht, Posten zu besetzen, zu dienen und am besten gar nicht aufzufallen.
Praktisch ist das jedoch nur in wenigen Fällen so gut möglich wie bei Marte: Andere haben Regierungsämter und können daher nicht nicht in der Öffentlichkeit stehen. Im Gegenteil, das Ganze geht zum Teil nach hinten los: Weil ihre Job-Description so ist, wie sie ist, sind außerordentliche Qualifikationen ausgeschlossen. Wer wirklich gut ist, lässt sich nicht zu umfassender, bedingungsloser Loyalität verdonnern.
Also gibt es da zum Beispiel einen Gernot Blümel, zu dem hier schon einmal die Fragestellung erörtert worden ist, wie inkompetent ein Finanzminister eigentlich sein darf. Er ist nicht allein: Zu Arbeitsministerin Christine Aschbacher und anderen kommt nicht irgendwoher die Behauptung, sie würden bei Interviews lediglich auswendig Gelerntes wiedergeben; es ist so.
Doch zurück zu Blümel: Er ist gerade dabei, einen riesigen ÖVP-Erfolg bei der Wiener Gemeinderatswahl zu reduzieren. Ein solcher könnte sich allein dadurch ergeben, dass die Freiheitlichen ausgehend von mehr als 30 Prozent abstürzen werden und die ÖVP immer auch mit Kurz’scher Flüchtlingsabwehr assoziiert wird; da ist es für enttäusche Blaue naheliegend, türkis zu werden.
Blümel macht das Ganze jedoch weniger leicht: Die ÖVP kann weiterhin mit einem sehr starken Zugewinn rechnen, mit seinen Unzulänglichkeiten tut er jedoch alles, damit sie das Potenzial nicht voll ausschöpfen kann. Die Rede ist von der Debatte, die er zwei Wochen vor dem Urnengang durch Löschung eines Postings von und den Antisemitismus-Vorwurf gegen den Schriftsteller Robert Menasse ausgelöst hat. Das ist jetzt Thema bei jedem TV-Duell und bei jedem Interview – und das wiederum ist kontraproduktiv, wird’s damit doch zu kompliziert und vor allem auch heikel für die neue ÖVP.
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