Klima egal

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ANALYSE. Die EU-Staaten haben sich darauf verständigt, Klimaziele abzuschwächen. Landwirtschaftsminister Totschnig freut sich – aus parteipolitischen Gründen.

Gerade hat die UNO berichtet, dass die Erde auf eine katastrophale Erwärmung zusteuere. Nicht gewarnt, sondern berichtet, wohlgemerkt: Selbst wenn alle Klimaschutzzusagen eingehalten werden, komme es zu einer folgenschweren Erwärmung von bis zu zweieinhalb Grad bis zum Jahr 2100.

Vertreter der EU-Staaten hat das wenig beeindruckt: Sie haben kurz drauf vereinbart, Klimaziele abzuschwächen. Zwar soll der Ausstoß von Treibhausgas gegenüber 1990 weiterhin um 90 Prozent reduziert werden bis 2040. Aber halt nur theoretisch: Bis zu fünf Prozentpunkte davon sollen nicht eingespart werden müssen, sondern durch den Kauf von Klimazertifikaten in Drittstaaten „erbracht“ werden können. Praktisch bedeutet das, dass das neue Ziel minus 85 Prozent lautet. Außerdem wird der Start eines neuen Emissionshandels für Verkehr und Gebäude um ein Jahr auf 2028 verschoben.

Österreichs Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) findet das gut. Er sieht sogar einen „Erfolg“. Kein Wunder: Es entspricht nicht zuletzt seinem Kurs, der nicht davon ausgeht, was möglich ist, wenn man wirklich will, sondern davon, was man sich halt so antun mag.

Vor dem Sommer hat Totschnig seinen Zugang zu Klimaschutz skizziert: Man könne ihn nicht „diktieren“, sagte er in einer ORF-Pressestunde. Man müsse mit Anreizen arbeiten statt mit Verboten.

Das ist ein interessanter Ansatz. Ein willkürlich gewählter: Bei Kopftüchern für Mädchen bis zur achten Schulstufe gilt er nicht. Hier ist man sehr wohl der Überzeugung, dass es nur mit einem Verbot geht. Auch wenn es beim Klima und dem Kopftuch in der Sache um sehr Unterschiedliches geht, zeigt es, was möglich ist, wenn man will oder eben nicht will.

Das Nicht-wollen im Zusammenhang mit dem Klimaschutz ist etwas, was bei Ex-Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) vor etwa zwei Jahren aufgekommen ist. Hier gemeinsam mit den Grünen etwas zu bewegen, ist ihm lästig geworden. Und zwar aus Überzeugung, dass die Leute ohnehin schon so viele Sorgen haben, dass man ihnen nicht auch noch mit der Klimakrise kommen sollte. Dass man sie damit nur verliert.

Getrieben ist das Ganze von FPÖ-Erfolgen; und zwar unter anderem mit der Erzählung, dass es keine (große) Klimakrise gebe und daher auch kein (besonderer) Handlungsbedarf bestehe. Dass man sich das Leben also nicht noch schwerer machen müsse als es ohnehin schon sei.

Das spiegelt sich auch in der Haltung der Wählerinnen und Wähler wider, wie Ergebnisse einer Befragung zur Nationalratswahl 2024 zeigen, die das Sozialforschungsinstitut „Foresight“ für den ORF durchgeführt hat: Für Freiheitliche waren die mit Abstand wichtigsten Themen oder Probleme die Zuwanderung und die Teuerung; Mehrfachnennungen waren möglich, darauf entfielen in ihrem Fall 69 und 62 Prozent der Nennungen. Das Klima war daneben fast egal für sie (16 Prozent).

Ähnlich, aber nicht so extrem war es bei ÖVP-Wählern: Zuwanderung (38) vor Teuerung (35) vor Klimaschutz (26 Prozent). Für SPÖ- und Neos-Wähler wiederum war zumindest die Teuerung etwas relevanter als Klimaschutz. Grüne hingegen bildeten quasi den Gegenpol zu Freiheitlichen: Einzig für sie stand Klimaschutz mit 73 Prozent der Nennungen eindeutig im Vordergrund, waren im Verhältnis dazu Zuwanderung (26) und Teuerung (25 Prozent) eher nebensächlich.

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