Kickls Verschwörungstheorien

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ANALYSE. Der FPÖ-Chef stellt in den Raum, es werde an einem Kandidaturverbot für ihn gearbeitet – und seine Partei will einen U-Ausschuss zu einem „tiefen Staat“: Hier werden neue Seiten aufgeschlagen.

Um FPÖ-Chef Herbert Kickl ist es ruhig geworden. Journalistischen Medien gibt er nach wie vor kaum Interviews. In seinem Büro hinter dem Parlament empfängt er lieber das rechte Portal „exxtra24“ bzw. deren Gründer Richard Schmitt und Roland Tichy. Da wird er nicht gefordert, sondern zum Beispiel so direkt angesprochen: „Jetzt muss ich natürlich fragen, wann bekommen Sie eine Fußfessel, und wann wird ihre Kandidatur beendet?“

Erwähnt wird das hier wegen der Antwort: „Ich würde ja nicht ausschließen, dass es politische Kräfte gibt, die daran bereits arbeiten“, erklärt der 56-Jährige, der sich gerade selbst ums Kanzleramt gebracht hat. Er erwähnt dann etwa „die annullierte Wahl in Rumänien“ und „die Tatsache, dass Marine Le Pen unter dubiosen Umständen rausgeschossen“ worden sei. Zur Erinnerung: Wegen Veruntreuung ist Le Pen von einem französischen Gericht verurteilt und mit einem Kandidaturverbot bei Wahlen belegt worden. Ein solches Verbot ist gesetzlich möglich und man kann ein solches Verbot, ausgesprochen durch ein Gericht, ganz grundsätzlich problematisch finden – „dubios“ ist hier jedoch gar nichts.

Aber ein Kickl stellt es eben einfach so in den Raum. Wie eben auch, dass es politische Kräfte geben könnte, die hierzulande an einem Kandidaturverbot für ihn arbeiten: So etwas rutscht dem Mann nicht heraus. Es passt zum parlamentarischen Untersuchungsausschuss, den seine Partei plant; und zwar zu „Unregelmäßigkeiten und dem tiefen schwarzen Staat“ im Innenministerium.

Der amtierende Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sagt in der ORF-Pressestunde, es sei das „gute Recht“ der FPÖ, einen Ausschuss zu fordern, er blicke ihm „sehr, sehr gelassen“ entgegen. Als wäre es nichts mehr Ungewöhnliches, von einem „tiefen Staat“ zu reden. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um einen Code.

Der „Bayerische Rundfunk“ hat es hier ausgeführt: Während der englischsprachige Begriff „Deep State“ ursprünglich eine kritische Beschreibung intransparenter Machtstrukturen gewesen sei, werde er heute zunehmend als Kampfbegriff gegen demokratische Institutionen instrumentalisiert. Vor allem Donald Trump arbeite damit. Schon im Wahlkampf 2015 habe er „Deep State“ als eine geheime Schattenregierung dargestellt, die angeblich gegen seine Präsidentschaft arbeitete.

In Deutschland tue es ihm die rechtsextreme AfD gleich und das wiederum werde gerne von Medien wie dem österreichischen Onlinesender „AUF1“ verbreitet und verstärkt. „AUF1“ geben Kickl und seinesgleichen auch gerne Interviews – womit sich der Kreis auch diesbezüglich schließt.

Hier werden neue Seiten aufgeschlagen: In den vergangenen zwei Jahren lautete die Erzählung des FPÖ-Chefs an seine Zielgruppen, dass Regierende auf ihre Sorgen und Nöte pfeifen würden; dass er sich für sie rächen und sie treten werden; dass er umkehrt als Kanzler allein ihnen dienen würde.

Jetzt hat Kickl ein Problem: Er hatte die Chance, Regierungschef zu werden, sie aber nicht genützt. Eigene Parteifreund:innen, wie die Salzburgerin Marlene Svazek, sagen ziemlich offen, dass er am Scheitern der blau-schwarzen Verhandlungen schon auch selbst schuld sei. Der FPÖ-nahe Historiker Lothar Höbelt schrieb gar, Kickls Vorgehen bei den Koalitionsverhandlungen lasse sich logisch nicht erklären: „Man kann aus dem vorliegenden Befund bloß den Schluss ziehen: Kickl will offenbar ganz einfach nicht.“

Also scheinen sich er und seine Partei nun gezwungen zu sehen, davon abzulenken und mit dem „tiefen Staat“ eine neue Erzählung zu entwickeln: Eine Verschwörungstheorie nach Trump’schem Vorbild, die auch als Aufforderung verstanden werden kann, gegen den Staat vorzugehen und ihn zu zerschlagen.

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