ANALYSE. Gerade in Österreich hat die Radikalisierung der öffentlichen Auseinandersetzung einen Namen: Der FPÖ-Chef liefert mit „Volksverräter“ und „Systemmedien“ brandgefährliche Kampfbegriffe.
Hubert Patterer, Chefredakteur der „Kleinen Zeitung“, hat einen starken Leitartikel zum „Fall der Journalistin Alexandra Föderl-Schmid“ geschrieben: „Um die Person selbst ging es den Kriegern nicht. Sie nahmen den Rufmord in Kauf. Föderl-Schmid hatte als Publizistin eines linksliberalen Mediums einfach die falsche Zugehörigkeit“, stellte er fest. Oder: „Das Geschehene wirft ein Schlaglicht auf das Öffentliche, und wie es durch die Wirkmächte des Digitalen vergiftet und zum ideologischen Kriegsschauplatz deformiert wurde. Beide Gründungsmythen sind demaskiert: das frei Zugängliche, Schwellenlose, das zur Teilhabe der Stimmenlosen führen werde; und: das Anonyme, das den Einzelnen vor Repression schütze.“
Im Fall Föderl-Schmid geht es nicht um ihre Arbeitsweise, zu der ihre Zeitung, die „Süddeutsche Zeitung“, eine eigene Untersuchungskommission eingerichtet hat. Es geht um einen rechten Mob, der sie in „sozialen“ Medien als Linke angeklagt und abgeurteilt hat.
Zweites: Man kann jede Person fertigmachen. Man könnte bei jeder irgendetwas finden, aber das ist nicht nötig: Geballte Niedertracht genügt. Wer ist der/die nächste? Bei einer journalistischen Person kann das dazu führen, dass sie vorsichtig wird, wo sie sich wie äußert. Damit aber hat sie schon verloren.
Was beim Blick auf den Kriegsschauplatz zu kurz kommt, ist dies: In Deutschland sind Rechte auf dem Vormarsch; insbesondere auch in Form der AfD. In Österreich ist die FPÖ auf dem Sprung auf Platz eins. Damit geht eine Ermunterung für sehr viele Menschen einher, Dinge zu äußern, die vor gar nicht allzu langer Zeit noch undenkbar schienen.
Anders ausgedrückt: Es reicht nicht, „soziale Medien“ und die Tatsache im Auge zu haben, dass hier jede Person alles von sich geben kann (anonym oder ganz offen) und dass unheilvolle Dynamiken entstehen können. Man sollte auch diese Frage berücksichtigen: Könnte es sein, dass politische Führer entscheidenden Einfluss auf Grenzziehungen haben, die markieren, was geht?
Erinnerung an die Rede von Herbert Kickl auf dem freiheitlichen Neujahrstreffen: Über dieses Treffen solle in den Geschichtsbüchern einmal stehen, dass mit ihm „die Rückkehr zur echten Demokratie, das Abstreifen der Ketten durch die Bevölkerung, die Wiederherstellung von Freiheit, Wohlstand und Sicherheit“ begonnen habe, sagte er. Oder: Viele würden versuchen, „die freiheitiche Energie“ zu brechen. Dazu habe sich eine Allianz gebildet, die „aus sogenannten Politikexperten, Systemmedien und den politischen Gegnern“ bestehe. Ja, den anderen Parteien empfahl Kickl, sich zu einer „Liste Volksverrat oder antiösterreichische Einheitsfront“ zu vereinigen. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und andere Politiker setzte der FPÖ-Chef auf eine „Fahndungsliste“. Und so weiter und so fort.
Wie soll das alles bei Leuten ankommen, die Herbert Kickl mit seiner Wirkmacht adressiert? Es kann unter anderem so verstanden werden: Das Volk ist in Ketten gelegt. Freiheitliche wollen das ändern, werden jedoch von politischen Gegnern, aber auch Medien, daran gehindert.
In Verbindung mit Begriffen wie „Volksverrat“ und „Fahndungslisten“ ist das dazu angetan, die Bereitschaft zu einem vermeintlich gerechten und notwendigen Kampf zu schüren. Was heißt hier „die Bereitschaft“? Es ist eine Ermunterung, einen solchen zu führen. Insbesondere gegen Linke, im Grunde genommen aber gegen alle, die sich einem angeblichen Volk in den Weg stellen.