Kickls Schwächen

-

ANALYSE. Der FPÖ-Chef profitiert von Krisen und dem Zustand der Mitbewerber. Beides kann sich ändern.

FPÖ-Chef Herbert Kickl mag sich zur Enttäuschung eigener Funktionäre im Februar ums Kanzleramt gebracht haben. Zu glauben, er gehe deswegen geschwächt in den 35. Ordentlichen Bundesparteitag, der am Samstag in Salzburg stattfindet, wäre jedoch naiv: Bei Wahlen heute würde er noch stärker triumphieren als er es im vergangenen Herbst getan hat, ÖVP und SPÖ würden auf noch niedrigerem Niveau landen als damals.

Das trägt zu guter Stimmung bei in freiheitlichen Reihen, ist jedoch nur eine Momentaufnahme, die durchaus trügerisch ist. Kickl hat einen erheblichen Beitrag dazu geleistet, dass er und die FPÖ dort sind, wo sie gerade stehen. Es gibt aber auch Schwächen.

Kickl und die FPÖ profitieren massiv von Krisen. Er weiß das und legt es gezielt darauf an. Unvergessen ist sein letzter Aufruf vor der Nationalratswahl 2024: Er hat die Leute aufgefordert, darüber nachzudenken, ob es ihnen persönlich besser oder schlechter gehe als vor fünf Jahren. Logisch, dass eine Masse nach Corona sowie wegen Rezession, Teuerung und Krieg in Europa „schlechter“ antwortet. Naheliegend, dass sich diese Leute dafür nicht bei Regierenden bedanken, sondern der FPÖ ihre Stimme geben, deren Chef das anspricht.

Es war auffallend, wie Kickl im ORF-Sommergespräch bemüht war, diese Erzählung fortzusetzen. Dass er behauptet hat, dass Firmenpleiten und Arbeitslosenzahlen „explodieren“ würden. Was nicht stimmt, für Kickl aber sein muss, weil es die Grundlage seines Erfolgs ist.

Nicht, dass goldene Zeiten und ein Wirtschaftswunder bevorstehen: WIFO, IHS und Nationalbank gehen jedoch von einem Rückgang der Arbeitslosigkeit in den kommenden Jahren aus. Die Inflation sollte schon ab Jänner zurückgehen, weil der Basiseffekt „Auslaufen Strompreisbremse Ende 2024“ wegfällt. Und nicht, dass das alles garantiert wäre, Stand heute spricht jedoch einiges dafür. Es wäre schlecht für Kickl.

Zweitens: Was eher besorgniserregend ist für ihn, ist, dass die FPÖ weit über 30 Prozent hält, obwohl er sie führt; ja, dass sogar einer wie er eine Kanzlerdirektwahl gewinnen könnte. Er hat die übelsten Vertrauenswerte aller österreichischen Politiker. Für die einen bietet er sich gerade deswegen an, Unmut oder Enttäuschung zum Ausdruck zu bringen. Für andere gibt es sonst aber keinen Politiker, der sie überzeugt.

Andreas Babler hat versucht, Menschen anzusprechen, die sich zu den Verlierern zählen. Gewonnen hat er wenige. Vielleicht, weil er dermaßen in sein Amt (SPÖ-Vorsitz) gestolpert ist, dass er nie dazu gekommen ist, sich von A bis Z zu überlegen, wie er es anlegen könnte. Jedenfalls auch, weil ihm schier täglich aus den eigenen Reihen widersprochen wird.

Christian Stocker spricht eher nur Leute an, die man früher dem Bürgertum zugeordnet hat und die sich nach Ruhe sehnen.

Es gibt jedoch Politikertypen, die grundsätzlich gefährlich sind für die FPÖ und für Kickl. Bei der Kärntner Landtagswahl 2023 hat die Partei nur um eineinhalb Prozentpunkte zugelegt. Ein Grund war das ebenfalls populäre bis populistische Team Kärnten von Gerhard Köfer. Bei der Salzburger Gemeinderatswahl 2024 wiederum hat nicht die FPÖ groß gewonnen, sondern Kay-Michael Dankl bzw. die KPÖ. Weil der Mann glaubwürdig existenzielle Sorgen und Nöte angesprochen hat, die viele Leute haben; insbesondere in Bezug aufs Wohnen.

Es ist nicht zu sagen, wer der Kay-Michael Dankl auf Bundesebene sein könnte. Es ist jedoch eine Frage der Zeit, bis einer oder eine kommen wird. Das ist kritisch für Kickl.

Vielleicht endet zum Bespiel der neue Kärntner SPÖ-Chef wie Andreas Babler auf Bundesebene. Man weiß es nicht. Vielleicht wird aber auch mehr aus ihm. Auffallend ist jedenfalls, wie sehr sich Daniel Fellner um „die wirklich brennenden Themen“ bemüht zeigt, die die Menschen bewegen würden, wie sehr er betont, auf die Straße gehen, zuhören und Anliegen ernst nehmen zu wollen: Das steht zumindest dafür, dass in Teilen der Politik abseits von Kickl etwas sickert, was diesem am Ende gefährlich werden könnte. Seine zentrale Botschaft lautet laut Christoph Hofinger vom „Foresight“-Institut schließlich nicht Migration, sondern „die ,Eliten‘ haben keine Empathie mit euch“. Und es lag bisher auch an den Mitbewerbern, dass das aufgehen konnte.

dieSubstanz.at ist ausschließlich mit Ihrer Unterstützung möglich. Unterstützen Sie dieSubstanz.at gerade jetzt >

dieSubstanz.at – als Newsletter, regelmäßig, gratis

* erforderliche Angabe


Könnte Sie auch interessieren

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner