ANALYSE. Dem FPÖ-Chef wird die Nähe zu Trump und Orban nicht unangenehm. Im Gegenteil. Er setzt darauf, dass gerade damit eine relative Mehrheit zu halten ist.
Wie rechtsstaatlich und demokratisch die Verhältnisse in den USA nach Donald Trump sein werden, ist offen. Er tut alles, damit sie es möglichst wenig sein werden, lässt Elon Musk die Verwaltung zertrümmern, geht selbst gegen Medien vor und bezeichnet kritische Berichterstattung als „illegal“, beruft sich bei der Abschiebung von hunderten Venezolanern auf einen „Aliens Enemies Act“, der zuletzt im Zweiten Weltkrieg angewendet wurde, um ausländische Feinde zu bekämpfen, und so weiter und so fort.
FPÖ-Chef Herbert Kickl ist trotzdem oder gerade deswegen angetan von Trump. Er geht nicht auf Distanz, sondern will die Nähe zu den Republikanern gerade jetzt ausbauen, wie Generalsekretär Christian Hafenecker am Wochenende wissen ließ: „Da ist wirklich etwas am Entstehen“, meinte er und berichtete von Hilfe, die man bei der Kontaktaufnahme von FIDESZ, der Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, erhalte.
Der Kreis schließt sich: Auch Orban und Demokratie ist ein Widerspruch: Am Wochenende hat er bei einer Rede zum ungarischen Nationalfeiertag einen „großen Osterputz“ angekündigt. „Die Wanzen haben überwintert“, sagte er und meinte damit die Opposition: „Wir liquidieren die Finanzmaschinerie, die mit korrupten Dollar Politiker, Richter, Journalisten, Pseudozivilorganisationen und politische Aktivisten gekauft hat.“
Die Übereinstimmungen sind umfassend. Trump, Kickl und Orban haben auch einen ähnlichen Zugang zu Migration, Russland und der Ukraine. Ihre Radikalität zeigen sie offen.
Hierzulande betreibt Kickl das noch stärker als seine Vorgänger. Er lebt aber auch in einer anderen Zeit: Dass eine extrem rechte Partei bei Wahlen zu einer (relativen) Mehrheit kommt, gibt es eben längst nicht mehr nur in Österreich. Laut „Economist“ liegen solche Parteien in Summe gerade europaweit vorne; zum ersten Mal in der Geschichte. Im Unterschied zu Haider und Strache hat Kickl Gleichgesinnte in Ungarn, den USA, Deutschland und vielen anderen Ländern, die ebenfalls auf sehr viel Zuspruch stoßen. Das macht was.
2025 mag sich Kickl mit seiner Radikalität in Österreich um eine Regierungsbeteiligung gebracht haben. Er leidet hörbar darunter, wenn er sich selbst etwa als „Noch-Nicht-Kanzler“ bezeichnet. Mehr und mehr wird aber auch klar, dass er wirklich davon überzeugt ist, das politische System zu 100 Prozent nach seinen Vorstellungen umbauen zu müssen. Und dass er sich durch Trump und Orban bestärkt fühlt.
Man sollte im Übrigen sehen, dass er mit seinen Positionen, ob in Bezug auf EU, Corona oder den Ukraine-Krieg, zwar eine Minderheit der Wähler bedient, das aber allein, sodass er nach wie vor davon ausgehen kann, eine relative Mehrheit von, sagen wir, 30 Prozent zu halten.
Da kommt es unter anderem auf zwei Dinge an: Drauf, dass ÖVP, SPÖ und Neos Maßnahmen setzen, die zu einer Stärkung der liberalen Demokratie beitragen; also einer Kultur, in der eine vielfältige Gesellschaft mit unterschiedlichen Meinungen und kritischen Medien verstärkt als etwas angesehen wird, was gepflegt und verteidigt gehört. Ansätze dafür gibt es im Regierungsprogramm. Zum Beispiel in Form der Ankündigung, Bildung beginnend durch ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr zu forcieren und darüber hinaus Medienkompetenz zu fördern, die hilft, Informationen einzuordnen und „Fake News“ zu erkennen.
Zweitens kommt es darauf an, dass sich die ÖVP, die als einzige Partei dafür in Frage kommt, Kickl die Steigbügelhalterin zu machen, emanzipiert von ihm. Dass sie sich inhaltlich nicht von ihm treiben lässt, sondern selbst populäre Angebote für Wählerinnen und Wähler entwickelt. Dass sie damit zumindest ihren Stimmenanteil von der Nationalratswahl (26 Prozent) halten kann und für sich klärt, warum es mit Kickl nicht geht.
Das scheint weniger klar zu sein, als man glaubt: Auf Ö3 hat ihr Obmann, Kanzler Christian Stocker, unlängst auf die Frage, ob er mit Kickl zusammengekommen wäre, wenn die ÖVP das Innenministerium erhalten hätte: „Wahrscheinlich.“ Als wären Bekenntnisse zur liberalen Demokratie, zu Medienfreiheit und Europa etwa, die er bei den Verhandlungen vergeblich gefordert hatte, vergessen.