Kickl halbstark

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ANALYSE. Regierungsbildung: Der FPÖ-Chef hat nichts vorzuweisen und blufft daher. Wobei: Vielleicht reicht es.

Am 9. Oktober, einem Mittwoch, teilte Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit, was offensichtlich ist: Es ist üblich, dass der Chef der stimmenstärksten Partei den Regierungsbildungsauftrag erhält. Die ÖVP wolle jedoch nicht mit ihm (Herbert Kickl) und die SPÖ weder mit ihm noch mit seiner Partei, der FPÖ, zusammenarbeiten. Van der Bellen beauftragte daher die drei Herren, sozusagen definitiv-klärende Gespräche durchzuführen. Kickl schien zunächst bereit dazu zu sein, es wurden jedenfalls Termine vereinbart. Vor dem ersten trat er nun, am 14. Oktober, jedoch vor die Presse, um das ganze Procedere als Farce darzustellen und Van der Bellen aufzufordern, ihm den Regierungsbildungsauftrag zu erteilen und Karl Nehammer zu drängen, sich daran zu beteiligen. Zumal Andreas Babler ganz offensichtlich ohnehin nicht in Frage kommt als Verhandlungspartner. Dessen Partei sei „marxistisch infiziert“, so Kickl.

Warum tut er das? Es könnte damit zusammenhängen, dass sich der Präsident der oö Industriellenvereinigung, Stefan Pierer, zwischenzeitlich recht unverblümt für Blau-Türkis ausgesprochen hat. Und dass es natürlich reizvoll ist für Kickl, das zu verstärken. Man darf schließlich nicht naiv sein und glauben, dass die ganze ÖVP so ticke wie Karl Nehammer. Dass alle unter gar keinen Umständen mit Kickl koalieren wollen. Pierer steht für eine andere Sichtweise. Auch Johanna Mikl-Leitner etwa könnte das am Ende des Tages tun. Wenn man sich daran erinnert, dass sie selbst mit einem Udo Landbauer (FPÖ) koaliert und welches Programm sie mit ihm vereinbart hat, dann muss man sich direkt fragen, was aus ihrer Sicht eigentlich gegen Kickl sprechen kann. Insofern ist es also ziemlich schlau von Kickl, aufzugreifen, was Pierer möchte und so jene in der ÖVP zu mobilisieren, die so ähnlich ticken.

Im Übrigen aber ist es lächerlich, zeigt es, dass auch der FPÖ-Chef nur mit Wasser kocht: Er scheint zumindest Karl Nehammer bei dem Gespräch in dieser Woche nichts anzubieten zu haben, was vor allem auch einer breiteren Öffentlichkeit signalisieren würde, „Okay, Kickl nimmt sich selbst zurück und sucht das Gemeinsame“.

Das tut er ganz und gar nicht. An diesem 14. Oktober gab er eine Pressekonferenz, bei der keine Fragen erlaubt waren. Er hielt also einen Monolog und gab das Übliche von sich: Es gebe einen Wählerwillen und der sei ganz klar, dass es zu einer Regierung von FPÖ und ÖVP kommen müsse.

Wofür man ihm schon auch dankbar sein kann: Er legt hier sein Demokratieverständnis ungeniert offen. Erstens: Keine Fragen, sich also nicht hinterfragen lassen. Zweitens: Der „Volkskanzler“ legt den Wählerwillen aus, wie es ihm gefällt. Er betreibt eine Willkürherrschaft. Drittens: Österreich hat seiner Ansicht nach ein Mehrheitswahlrecht, bei dem „The winner takes it all“ gilt. Beziehungsweise fast alles. Womit es natürlich nie zu einer ordentlichen Koalition kommen kann. Zumal er (viertens) daraus ableitet: Der Zweite, also die ÖVP, hat dem Ersten Mehrheiten zu verschaffen und ins Kanzleramt zu verhelfen. Punkt. Das ist das Schicksal, das er als Verlierer zu ertragen hat.

Hier nun kommt das ins Spiel, was Van der Bellen mit den Gesprächsrunden von Kickl, Nehammer und Babler wohl bezwecken wollte: Es geht in erster Linie um Botschaften nach außen. Es geht darum, nicht nur klar, sondern auch nachvollziehbar zu machen, was gegen Kickl spricht.

Das Ergebnis der Nationalratswahl lässt darauf schließen, dass das in der Wählerschaft alles in allem ganz und gar nicht logisch ist. Wäre es das, hätten sich ÖVP-Wähler etwa davon beeindrucken lassen, dass Kickl ein „Sicherheitsrisiko“ sei. Oder Arbeiterinnen und Arbeiter, dass Kickl „brandgefährlich“ sei, wie Babler im Wahlkampf ausdrücklich erklärte. Bei der Wahl sind aber hunderttausende (!) bisherige ÖVP-Wähler zur FPÖ gewechselt. Hat umgekehrt einmal mehr gut die Hälfte der Arbeiterinnen und Arbeiter blau gewählt (und nur ein Bruchteil rot).

Man kann sich darüber wundern, dass es hier noch nicht geklingelt hat. Dass Nehammer und Babler nicht einmal jetzt, wo es um die Regierungsbildung geht, die Gelegenheit nützen, nachzuholen, was ihnen im Wahlkampf nicht gelungen ist, also stärker zu vermitteln, wo das Problem ist. Zumal sie ohne eine solche Vermittlung riskieren, dass Kickl zum Märtyrer aufsteigen und ihnen bei der nächsten Wahl noch mehr Stimmen abnehmen kann.

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