ANALYSE. Der FPÖ-Chef ist beseelt von einem Sendungsbewusstsein, das ihn erst recht zu einer demokratischen Herausforderung macht.
Die Körpergröße eines Politikers ist belanglos. Nicht jedoch für die „Krone“, die die die Frage FPÖ-Chef Herbert Kickl im Zusammenhang mit einer Satiresendung stellte; und auch nicht für diesen, wie aus seiner Antwort herauszulesen ist. Zitat: „Ich war diese Woche wieder zwei Tage im Plenarsaal und habe festgestellt, dass der August Wöginger sicher 10 Zentimeter kleiner ist als ich. Es hat noch niemanden gestört. Und ich habe einmal nachgeschaut, der Herr Selenskyj ist ganze 1,70 Meter, also auch kleiner als ich, das ist offenbar kein Thema.“
Was soll man sagen? Die Langfassung des „Krone“-Interviews ist lesenswert. Sie enthält ausführliche Passagen, die eine Annäherung an die unnahbare Person Kickl zulässt. Wie gesagt: Seine Körpergröße zum Beispiel spielt keine Rolle. Es geht um die Antwort. Er, der Bundeskanzler der Republik Österreich werden möchte, scheint mit seiner Größe zu hadern. Das ist ein Problem: Er sollte den Kopf frei haben für Wesentliches, sollte sich selbst nicht im Weg stehen.
Herbert Kickl ist 55 Jahre alt. Insofern ist eine der weiteren Fragen bemerkenswert: Wie es seinen Eltern gehe, dass ihr Sohn in der Öffentlichkeit stehe und oft Ziel von Angriffen werde. Auch hier ist die Antwort relevant: „Ich glaube, dass meine Mutter sehr genau weiß, dass das Bemühen um Veränderung und Gerechtigkeit ganz tief in mir drinnen steckt und dass sie, wie viele andere Mütter auch, fürchtet, dass es in diesem Kampf für Gerechtigkeit Verletzungen und Verwundungen gibt.“ Weiter unten bekräftigt er, dass es „eine ganz große Erwartungshaltung und Hoffnung der eigenen Bevölkerung“ gebe, der er sich verpflichtet fühle: „Dafür braucht es Tapferkeit. Und Tapferkeit heißt, Verwundungen für die eigene Überzeugung auch in Kauf zu nehmen.“
Ein aufgeklärter, reifer Demokrat könnte so nicht reden. Kickl jedoch ist beseelt von einem Sendungsbewusstsein. Er vermittelt den Eindruck, zu glauben, über die vermeintlich eine Wahrheit zu verfügen, die vermeintlich eine Gerechtigkeit herstellen zu müssen und dabei natürlich auf Widerstände zu stoßen. Was heißt Widerstände? In seinen Augen wird er eher bekämpft, muss zur Befreiung des vermeintlich einen Volkes jedoch tapfer sein und durchhalten.
Warum tut er das? Zwei Drittel der wahlberechtigten Österreicherinnen und Österreicher misstrauen dem Mann. Eine Mehrheit lehnt ihn als Kanzler ab. Viele würden an seiner Stelle vielleicht sagen: „Schade, ich wirke nicht überzeugend, ja ich werde nicht gewollt, also ziehe ich mich zurück.“ Eine einfache Erklärung dafür, dass er bleibt, ist, dass es für eine relative Mehrheit für ihn reicht und er seinen Anhängern den Eindruck vermitteln will, bei der richtigen Partei mit dem richtigen Obmann zu sein. Daher auch das mit dem „Volkskanzler“. Signal an die Anhänger: „Wir sind das Volk.“
Antworten aus dem erwähnten „Krone“-Interview zeigen jedoch, dass es viel weiter geht: Kickl glaubt, was er sagt. Wenn zwei Drittel gegen ihn sind, nimmt er das nicht demütig zur Kenntnis, sondern findet allenfalls, dass sie auf dem falschen Weg sind. Dass er sie daher zu ihrem Glück zwingen muss. Auch wenn er von dem einen oder anderen aus ihren Reihen angefeindet wird: Das ist aus seiner Sicht keine Absage an ihn, sondern eine Bestätigung für ihn.